Babson, Marian
sahen die
Katzen an, die ihre Suppe gefressen hatten und satt und zufrieden auf dem Boden
lagen. Roscoe hatte die Augen geschlossen und schien im siebten Himmel zu
schweben, zumal Hätt-ich's sein Fell ableckte. Bloß-gewusst dagegen war bereits
eingeschlafen.
»Bestimmt
denkt er, dass deine Mädchen sein persönlicher Harem sind«, sagte Macho
nachdenklich und vielleicht auch mit einer Spur Neid. »Und manchmal benehmen
sich die beiden so, als würden sie es selbst ebenfalls glauben.«
»Er ist ja
auch lammfromm. Wenn sie ihn rumschubsen und ärgern, stört ihn das nicht.«
Plötzlich bemerkte Lorinda, dass ihre Unterhaltung sich nahe an dem Thema
bewegte, das Macho angesprochen hatte, als er sie bat, Roscoe zu adoptieren,
falls ihm etwas zustoßen sollte. Hatte das etwas mit seiner auffallenden
Nervosität und dieser einen Bemerkung zu tun? »Er kriegt mich noch nicht«,
hatte er gesagt, als er zu ihr kam.
»Macho ...«,
begann sie.
Ein
ungewohntes Geräusch durchdrang die Stille, die über dem Dorf lag. Was da
schnell lauter wurde, war eine Sirene, die jeden verscheuchte, der ihr im Weg
war. Eine drängende, fordernde Sirene ... ein unheilvolles Geräusch, das sie in
letzter Zeit zu oft gehört hatten.
»Ein
Rettungswagen!« Macho sprang sofort auf.
»Nein!«
Lorinda hielt es ebenfalls nicht länger auf ihrem Platz. »Was ist denn jetzt
wieder los?«
Sie eilten ins
Wohnzimmer, während das durchdringende Geräusch die Katzen nicht zu wecken
vermochte. Sie wussten, es betraf sie nicht, also mussten sie auch nicht
reagieren.
Lorinda zog
den Vorhang zur Seite, gerade als der Rettungswagen vorbeiraste. An der Ecke
zum Herrenhaus bog er ab, und wieder ertönte die Sirene. Sie hatte mal gehört,
dass die Sanitäter sie manchmal zwischendurch betätigten, um den Verletzten
wissen zu lassen, dass Hilfe unterwegs war.
»Dorian!«,
rief sie. »Er muss einen Unfall gehabt haben!« Eigentlich musste er längst auf
dem Weg in die Karibik sein, es sei denn, ihm war etwas zugestoßen. Wenn der
Fahrer der Limousine am Morgen vergeblich geklingelt hatte, dann war er wohl
fluchend wieder abgefahren und hatte geglaubt, ein Freund habe den Fluggast
gefahren und man habe einfach nur vergessen, ihn abzubestellen. Einen Anlass für
den Verdacht, Dorian könnte etwas passiert sein, hätte es für ihn dann
natürlich nicht gegeben.
»Zieh deine
Jacke an!« Macho lief bereits zur Tür. »Beeil dich!«
Die kalte
Luft, die ihr draußen entgegenkam, fühlte sich an wie ein Schlag ins Gesicht.
Bäume und Büsche waren mit Reif überzogen. Vielleicht würde es noch eine weiße
Weihnacht geben, aber momentan war es viel zu kalt für Schneefall. Sie zog ihre
Jacke enger um sich, dann schlossen sie sich den anderen Leuten an, die wie aus
dem Nichts aufgetaucht waren und dem Rettungswagen hinterherliefen.
»Was ist denn
jetzt schon wieder los?«, fragte Jack, der hinter ihnen auftauchte und soeben
seine Handschuhe anzog. Karla lief bleich und schweigend neben ihm her, während
ein Stück weiter der Rettungswagen bremste. »Dorian«, flüsterte sie.
Ein
Polizeiwagen fuhr an ihnen vorbei und verbreitete mit seiner Sirene
ohrenbetäubenden Lärm, danach sprach niemand mehr ein Wort, sondern jeder ging
nur noch etwas schneller, um an den Ort des Geschehens zu gelangen. Fast schon
rennend erreichten sie das Tor zum Herrenhaus, vor dem beide Fahrzeuge
angehalten hatten.
Polizisten und
Sanitäter verließen ihre Wagen und eilten an der grauen Grundstücksmauer
entlang zum schmiedeeisernen Tor, wo Gemma Duquette bereits auf sie wartete.
Mit einem zerknüllten Taschentuch tupfte sie ihre Wangen ab. Die auffallend
ruhigen Hunde saßen neben ihr und begannen zu bellen, als die vielen fremden
Leute an ihnen vorbeiliefen.
»Gemma!« Betty
Alvin löste sich aus der Menge und lief auf sie zu. »Geht es Ihnen gut?«
»Ich ... ich
habe ihn gefunden«, antwortete sie erstickt. »Oder besser gesagt: Die Hunde
haben ihn gefunden. Ich ... ich ging mit ihnen Gassi ... und auf einmal zogen
sie wie verrückt an der Leine ... sie wollten unbedingt auf das Grundstück ...
sie müssen es gewusst haben ...« Sie unterbrach sich und tupfte wieder mit dem
Taschentuch über ihre Wangen.
Aus dem
Augenwinkel bemerkte Lorinda, wie Freddie durch das Tor nach drinnen huschte.
Sie folgte ihr leise, während die anderen zurückblieben, um sich Gemmas
Schilderungen anzuhören.
Das Erste, was
sie sah, waren Beine: ein Beinpaar, das auf der Erde lag, umgeben von
Weitere Kostenlose Bücher