Baby-Bingo
Nachhilfe wird von Carlas Krankenkasse nur noch unterstützt, bis sie 40 ist. Und die Erfolgschancen sind damit am höchsten. Denn auch wenn Doktor Faber damals die Fakten sehr unsensibel präsentiert hat: Wir dürfen uns da nichts vormachen. Die ersten Jahre unserer Partnerschaft haben wir, was den Kinderwunsch angeht, ziem lich fahrlässig vertrödelt. Warum auch immer. Im Alter von 35 Jahren war Carla immerhin noch halb so fruchtbar wie eine Frau mit 25 Jahren. Schon das ist kein Traumwert. Aber nun geht es Jahr für Jahr weiter exponenziell abwärts.
Mag sein, dass es wieder männliches Zweckdenken ist: Aber wenn ich schon die Möglichkeiten der modernen Medizin nutze, dann doch am besten gleich mit der chancenreichsten Methode. Warum also weiter Kompromisse wie Inseminationen machen?
Aber mit meinem Masterplan dringe ich nicht zu Carla durch. Sie hat wohl für sich längst schon eine eigene Entscheidung über Zukunftsmaßnahmen getroffen, über die sie aber wiederum nicht offen mit mir spricht. Ein Minenfeld. Denn Ansätze von Diskussionen darüber enden nicht selten in einem resignativen »Ich-bin-doch-eh-schon-zu-alt« von Carla. Sie wird erkennbar mutloser. Und mir gehen langsam die Argumente aus, mit denen ich sie wieder aufbauen könnte. Ganz abgesehen davon, dass solche »technischen« Gespräche nicht dazu beitragen, mehr Lockerheit in unsere Zukunftsplanung zu bringen.
»Amore«, sagt Carla in einer Mischung aus Erstaunen und Sorge. Ich liege schweißnass und erschöpft neben ihr. »Was ist heute los mit dir? Bist du zu den Leistungssportlern gewechselt? Ich dachte schon, du kriegst einen Herzinfarkt!«
Diese Sorge hatte ich auch, dabei bin ich einigermaßen trainiert. Als die Wunderpille 1998 auf den Markt kam, gab es Berichte in Boulevardzeitungen, dass einige betagte Herren durch Selbstüberschätzung den plötzlichen Liebestod gestorben seien. Ich hielt das für Unfug. Denn im Vergleich zu Sportarten wie Bodenturnen oder Kickboxen sind die Bewegungen beim »Liebemachen«, wie es die Franzosen elegant umschreiben, doch eher im Mikrobereich. Auch mit Viagra. Kann man dabei kollabieren?
Ja, man kann. Nun habe ich eine Ahnung davon. Die stark erweiterten Möglichkeiten beim V-Einsatz, was die Intensität und Länge der Aktivitäten betrifft, können wohl physisch wirklich in Grenzbereiche führen.
Carla kuschelt sich an mich. »Mein Löwe«, sagt sie.
Es könnte eine Szene aus einem Werbespot für Viagra sein. Endlich mal ein Produkt, das hält, was es verspricht. Selbst nach langer Lagerzeit.
»Die Tablette reicht locker für zwei Einsätze«, hatte mir Stefan damals erklärt. »Du kannst sie in der Mitte teilen.«
Da ich mir aber nicht sicher war, ob die Wirkung durch die lange Lagerung nicht schon eingeschränkt ist, wollte ich auf Nummer sicher gehen. Und schluckte das ganze Ding.
Was passierte? Überhaupt nichts. Und das fast eine Stunde lang. Doch dann setzte urplötzlich das Gefühl ein, dass meine Körpertemperatur steigt. Mir wurde heißer und heißer. So eine innere Hitze hatte ich zum letzten Mal auf den Malediven, als mich ein Skorpionfisch beinahe ins Jenseits beförderte. Im Gegensatz zu damals fühlte ich mich aber trotz des fieberartigen Zustands fantastisch und voller Energie.
Als ich Carla dann verführerisch ins Ohr flüsterte: »Lass uns ins Bett gehen, jetzt sofort«, klang meine Stimme so nasal wie nach einer Stunde Kraulen im Hallenbad. Wohl auch eine Nebenwirkung.
»Bist du erkältet?«, fragte Carla besorgt. Der Doktor in ihr kam sofort wieder zum Vorschein, und sie hielt mir die Hand an die Stirn, um meine Temperatur zu fühlen.
»Du fühlst dich auch ganz heiß an«, sagte sie besorgt.
»Mir geht’s gut, ich bin nur heiß auf dich«, sagte ich.
Und das stimmte mehr denn je.
Ich gucke an mir nach unten. Dort herrscht immer noch deutlich erkennbare Einsatzbereitschaft. Wann lässt das wieder nach? Nach Stunden? Nach Tagen?
»Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.« An diesen allseits bekannten Satz muss ich nun denken.
Mein Körper ist immer noch bis in die letzten Körperspitzen so gut durchblutet, als hätte ich zwei Stunden in der Sauna verbracht und mich dann im Schnee gewälzt.
Als ich Carla ins Bett lockte, war bei mir noch alles im Normalzustand. Doch bei ihrer ersten Berührung richtete sich etwas auf, das nicht wie sonst eher einem Zelt glich, das für eine Nacht errichtet ist. Nein, es baute sich ein Betonturm auf. Vom
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