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Babylon in Hongkong

Babylon in Hongkong

Titel: Babylon in Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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gefährlich die Leute sind?«
    »Leider.«
    »Wir… wir hatten Glück, aber er nicht.« Ihre Stimme sackte allmählich ab. Dann ging sie neben der Leiche in die Knie. Ich hörte sie weinen, während ich mich um die weiße Maske kümmerte.
    Der Mann war bewußtlos. Die Schminke auf seinem Gesicht besaß nicht mehr die Festigkeit. An einigen Stellen war sie zerlaufen und bildete einen schmierigen Film.
    Vom Flur her fiel noch genügend Restlicht in den Raum, um die Beule an der Stirn sehen zu können. Sie wuchs wie ein kleiner Hügel an. Bestimmt hatte er noch einige Tage unter den Schmerzen zu leiden. Ich drehte ihm die Waffe aus der Hand. Sie war ein hinterhältiges Instrument, widerlich und gemein.
    Die Waffe besaß die Stärke einer Stricknadel, war aber wesentlich härter. Dieses Einrammen in den Boden hatte es mir bewiesen. Als Griff diente, ähnlich wie bei einem Schraubenzieher, ein Gebilde aus Kunststoff, in das einige Fingermulden eingearbeitet waren. Im Schein meiner Lampe untersuchte ich die Spitze nach irgendwelchen Resten. Ich dachte dabei an Gift, konnte aber keine Verfärbung erkennen und ebenfalls keine winzigen Kristalle.
    Als ich mich aufrichtete, wischte Suzie sich die Tränen aus den Augen. Ich ließ sie in Ruhe und kümmerte mich um den Mann, der von meiner Kugel erwischt worden war.
    Er war von dem geweihten Silber nicht tödlich getroffen worden, dennoch zeigte mir sein gebrochener Blick, daß kein Leben mehr in ihm steckte.
    Der Grund war simpel. Dieser Mann hatte sich selbst umgebracht, und zwar mit der verdammten Nadel. Sie steckte an einer tödlichen Stelle in seinem Körper.
    Suzie hatte die Tür eines sideboardartigen Schranks geöffnet, schaltete zwei Lampen an, holte aus dem Sideboard eine Flasche und dazu zwei kunstvoll geblasene Gläser. »Möchten Sie auch einen Schluck, John?«
    »Was ist es?«
    »Ein Kräuterelixier. Es tut dem Magen gut und enthält keinen Tropfen Alkohol.«
    »Dann ja.«
    Sie schenkte ein. Ich nahm ein Glas entgegen, trank, spürte Bitterkeit und Wohlbefinden in einem. Tief atmete ich durch, als ich das Glas wegstellte.
    »Nun?«
    »Nicht schlecht«, lobte ich und lächelte. »Aber weiter sind wir noch nicht gekommen.«
    »Leider.«
    »Vielleicht haben wir eine Chance, wenn der Bewußtlose erwacht. Ich werde ihn sicherheitshalber fesseln. Dazu reicht ein Handschellenpaar auch.« Suzie dämpfte meine Hoffnungen. »Ich glaube nicht, daß er nur ein Wort sagen wird. Sie haben selbst erlebt, wie die Leute reagieren, wenn sie verloren haben. Sie bringen sich um, einfach so.« Sie hob die Schultern. »Denen ist ihr Leben überhaupt nichts wert.«
    »Also Harakiri.«
    »So ähnlich.«
    »Dann ist die Macht des Mandarins über die Menschen mehr als groß«, murmelte ich.
    »Das war auch Cheng Wang bekannt.«
    Suzie stand hinter dem Schreibtisch, ich davor. Wir schauten uns an, und sie hörte meine Frage. »Cheng Wang scheint mir ein besonderer Mensch gewesen zu sein. Einer, der sehr viel wußte.«
    Sie nickte. »Man kann sein Wissen kaum in Worte kleiden. Es gab kaum ein Gebiet, auf dem er nicht firm war, wenn Sie verstehen, John. Er war Mystiker und Wissenschaftler, er war ein Mann, der die Geschichte des alten China ebenso studiert hat wie die Medizin. Hongkong hat durch seinen Tod einen immensen Verlust erlitten.«
    »Was wußte er von dem Mandarin?«
    Suzie hob die Schultern. »Das kann ich Ihnen leider nicht sagen, John. Er hat darüber nie mit mir gesprochen.«
    »Haben Sie gefragt?«
    »Nie.«
    »Dann stehen wir abermals vor dem Nichts, und Suko bleibt verschwunden.« Ich ballte die Hände zu Fäusten. »Damit hätte ich nicht gerechnet. Es gibt noch eine Chance.«
    »Nicht der Bewußtlose.«
    »Ich denke an die Polizei.«
    Suzie lachte mich aus. »Nein, John, nein, die Polizei wird Ihnen nicht helfen können. Die Polizisten sind und bleiben Fremde in dieser Stadt, da können sie noch hundert Jahre hier die Stellung halten. Es wird sich nichts ändern. Zudem gibt es in Hongkong unzählige Verstecke, der Mandarin hat Vertraute, die sich eherdie Zunge abbeißen, als über ihn zu reden, aber…« Suzie sprach nicht mehr weiter, denn ihr war etwas aufgefallen.
    Der Schreibtisch sah aufgeräumt aus, aber unter dem Telefon schaute etwas hervor, ein heller Zipfel, der eine dreieckige Form aufwies. Der Apparat stand auf einer schmalen Unterlage, die verrutscht war, deshalb war der Gegenstand erst jetzt zum Vorschein gekommen, den Suzie mit spitzen Fingern an sich

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