Babylon: Thriller
Schinken in englischer und arabischer Sprache. Hohe Stahlschränke, deren Türen offen standen, waren vollgestopft mit halb vermoderten alten Zeitungen.
Über einem Verkaufsstand für Plakate hing ein Bild von Saddam Husseins Gesicht, das mit einem schwarzen Kreuz bedeckt war. An einem benachbarten Stand war ein gerahmtes Porträt mit arabischer Unterschrift zu sehen. »Wer ist das?«, wollte ich von Mazare wissen.
»Ayatollah Muhammad Muhammad Sadiq al-Sads. Er ist im Februar des Jahres 1999 in Najaf einem Attentat zum Opfer gefallen. Ein im Irak von allen verehrter Mann«, antwortete er.
Fast alle Kaufinteressierten waren männlichen Geschlechts; nur wenige Frauen waren auf der Straße zu sehen. Wir gingen an einem freien Platz vorbei, der von drei Männern auf einer Plattform besetzt wurde. Zwei knieten und der dritte stand hinter ihnen und hatte einen Knüppel in der Hand, den er bewegte, als schlüge er auf die Männer ein. Ein begeistertes Publikum verfolgte das Geschehen mit lauten Kommentaren. »Schauspieler«, sagte Mazare. »Eine alte Tradition.«
Die Straße beschrieb eine leichte Kurve. Am Ende der Straße konnte ich die in der Sonne glitzernden Fluten des Tigris erkennen. Ein kleines Stück weiter auf unserem Weg deutete Mazare auf ein halbrundes einstöckiges Gebäude, vor dem lange Tischreihen aufgestellt waren. »Das Al-Shabandar. Eine berühmte Adresse in Bagdad.«
Das Kaffeehaus war gut besetzt, wieder nur mit Männern, von denen so gut wie alle rauchten. Einige sogen süßen orientalischen Tabakrauch durch ihre Wasserpfeifen, andere hatten Zigaretten angezündet. Ich glaubte, auch den Vanillegeruch von Haschisch wahrzunehmen. Man konnte die Vielzahl der Düfte in der Luft beinahe auf der Zunge schmecken. Gläser mit dampfendem Tee standen auf den Tischen. An der Decke drehte sich langsam ein Ventilator. Gerahmte Gemälde und Fotos in allen Größen und Formaten zierten die Wände – Porträts, Landschaften, Stillleben. Ein Stromgenerator brummte. Dominosteine klapperten. Zwei Backgammonspiele waren im Gange.
Ein Helikopter überflog uns in dem Moment, als wir uns setzten. Seine Rotoren ließen das Gebäude erzittern. Wenige Sekunden später ertönte in nächster Nähe eine mächtige Explosion. Eine Mörsergranate, vermutete ich.
Alles Leben im Raum erstarb.
Mazares Miene verfinsterte sich und er schüttelte den Kopf. »Sehen Sie uns an«, sagte er. »Wir stinken vor Angst.«
Ich beugte mich vor und senkte die Stimme. Zu wissen, das Laurel tot war, hatte alles von Grund auf verändert. Ich wollte mit dieser ganzen Affäre nichts mehr zu tun haben, egal wie. »Hören Sie, können Sie mich aus Bagdad rausbringen? Nach Jordanien oder in die Türkei? Ganz gleich wohin, es ist mir egal. Ich brauche Tomas nicht zu treffen und bin sicher, dass er auch froh sein wird, mich nicht zu sehen. Ich bin nämlich nur gezwungenermaßen hier.«
Er verwarf diese Möglichkeit sofort. »Davon hat Tomas nichts gesagt. Ich gehe uns Kaffee holen.«
Er kam mit zwei Tassen zurück und stellte sie auf den Tisch. Der aromatische Mokkaduft hätte eigentlich meinen Gaumen kitzeln sollen, verfehlte seine Wirkung jedoch total. Mazare blickte wahrscheinlich zum hundertsten Mal auf die Uhr, dann nach draußen und kontrollierte die Gesichter der Passanten. Wurde vielleicht schon nach mir gesucht? Er stellte seine Kaffeetasse unberührt auf den Tisch.
Ich suchte nach irgendetwas, um das unbehagliche Schweigen zu brechen. »Haben Sie mit Eris Türkisch gesprochen?«
»Ich bin Assyrer, wuchs jedoch in Istanbul auf. Wir Assyrer sind weit verstreut. Über ganz Europa. Einige leben sogar in Ihrer Heimat.«
Ein schriller Pfiff ertönte irgendwo auf der Straße. Mazare sprang auf.
»Kommen Sie. Lassen Sie den Kaffee stehen. Wir müssen sofort weg von hier.«
Er hatte es eilig, und ich hatte Mühe, in seiner Nähe zu bleiben. Er wollte nicht mit mir reden und presste die Lippen so fest zusammen, dass sie einen schmalen weißen Strich bildeten. Seine Blicke zuckten hin und her und suchten die Straße ab. Wir kehrten auf Umwegen zu unserem Kombi zurück.
Als wir wieder losfuhren, meinte ich: »Ich finde diese Stadtrundfahrt ja ganz nett, aber welchen Sinn hat das alles?«
»Es ist nicht so einfach, Wards Leuten zu entkommen. Sie verfolgen uns. Wir müssen sie irgendwie abhängen.«
»Und wohin fahren wir jetzt?«
»Zum Suq al-Haramia, dem Markt der Diebe. Kennen Sie ihn?«
»Ich habe schon mal davon gehört.«
Wir fuhren
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