Babylon: Thriller
Formen und Schatten entstehen, während ich mich abwärtstastete. Die Stufen waren stellenweise triefend nass und mit einem glitschigen, grünlich schwarzen Schleim bedeckt, der an meiner Kleidung kleben blieb. Es roch wie in einem Brunnen, in dem seit Jahrhunderten Wasser und alle möglichen undefinierbaren Dinge vor sich hin faulen.
Ich musste meine Finger mit aller Kraft um die oberen Stufen krallen, um nicht abzustürzen. Meine Füße drohten immer wieder abzurutschen und ich musste mich mit dem ganzen Körper so gut es ging gegen den rauen Fels pressen. Abermals spürte ich, wie mein Fuß seinen Halt verlor. Ich fasste mit den Händen nach, ein Knirschen ertönte und eine Felsschuppe löste sich von der Wand. Ich stieß einen Schrei aus und stürzte ab.
»Der Aufstieg ist einfacher.« Mazare lachte, als er bei mir ankam und seine Lampe einschaltete und hochhielt, um Tomas den Weg zu zeigen. Ich war so dicht über dem Grund des Schachtes gewesen, dass ich mich fast schämte.
Der dritte Mann, der oben geblieben war, hielt sich bereit, bei irgendeinem Anzeichen von Gefahr die Steinplatte wieder über die Öffnung zu schieben. Während Tomas herabkletterte, schaute ich mich um. Im Licht der Lampe konnte ich auf dem Grund des Schachtes zwei Tunnel erkennen. Der eine wurde nach ein paar Metern durch Felsbrocken und Geröll versperrt. Der andere, in dem wir uns nur gebückt bewegen konnten, verlor sich in schwarzer Finsternis.
Als er uns erreichte, knipste Tomas wieder seine Lampe an und leuchtete damit in die verstopfte Gangöffnung. »Wir nehmen an, dass dies früher der eigentliche Zugang zum Tempel war und dass sie den Schacht, durch den wir herabgestiegen sind, zur Belüftung der Anlagen gebohrt haben. König Sanherib hat viele Bauten in Ninive errichten lassen. Außerdem ließ er einen wunderschönen Park anlegen. Zu seiner Bewässerung haben seine Arbeiter Bergbäche um- und in den Khosr eingeleitet, der durch die Außenbezirke von Ninive floss. Einer dieser unterirdischen Flüsse ist seinerzeit durch diesen Tunnel geströmt.«
Schwarzes Gestein glänzte im Licht der Lampen. Wasser troff von der Decke, rann an den Wänden herab und bildete kleine Rinnsale, die in den Spalten im Boden versickerten. Wie tief wir hinabstiegen, konnte ich nicht genau abschätzen, aber wir legten einen ziemlich langen Weg zurück. Wir mussten tief gebückt gehen, weil die Tunnelhöhe sicher nicht mehr als anderthalb Meter betrug. »Damals waren die Menschen viel kleiner«, sagte Tomas.
Etwa eine Stunde lang drangen wir auf diese Art und Weise weiter in die Tiefe vor. Meine Knie und mein Rücken schmerzten von der ungewohnten Körperhaltung, und verschiedene Blessuren machten sich wieder schmerzhaft bemerkbar. Als unser Licht abnahm, schien die Schwärze des Tunnels uns mehr und mehr einzuschließen, und es fühlte sich an, als wäre die Dunkelheit etwas Greifbares, das uns verfolgte.
Ich wollte schon um eine kurze Rast bitten, als Mazare, der die Spitze übernommen hatte, seine Lampe hin- und herschwenkte. »Wir sind bald da. Es ist nicht mehr weit.«
Die Kaverne erweiterte sich plötzlich und wurde höher. Seine Lampe erhellte eine Treppe, die nach oben in die Dunkelheit führte. Während wir hinaufstiegen, wurde unsere Umgebung merklich trockener. Ich dachte schon, die Treppe würde kein Ende nehmen, als der Gang wieder horizontal verlief. Dieser Teil war von Menschenhand geschaffen. Mächtige Kalksteinblöcke bildeten die Seitenwände. Jede dritte Reihe dieser Blöcke war mit Keilschriftzeichen versehen. Tomas deutete auf eine der Inschriften. »König Assurbanipals Signatur. Der Schatz wartet schon.«
Es war interessant, dass er, wenn er von den assyrischen Königen sprach, stets auch ihren Titel nannte. Nationalstolz ist wirklich ein langlebiges Gefühl.
Der Schatz wartet schon. Es klang, als müssten wir mit einem Indiana-Jones-würdigen Stapel von Kisten und Kästen rechnen, die von Goldmünzen, mit Edelsteinen besetzten Götzenfiguren und Perlenketten überquollen.
Die halb verfaulten Holzbalken, die, wie ich vermutete, einst zu einer prachtvollen Zederntür gehört hatten, versperrten teilweise den Tunnel und passten nicht so gut in dieses Bild. Ich stemmte mich gegen einen der Balken und er zerfiel zu Holzstaub.
Sie baten mich zu warten. Mazare reichte mir seine Lampe, dann kletterten er und Tomas über das Hindernis und verschwanden in der Finsternis dahinter. Ich würde mich höchstens zwei Minuten lang
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