Babylon: Thriller
erwidern konnte. »Nun … warum gerade Sol? Er ist ein römischer und kein mesopotamischer Gott.«
Diane schien über meine Skepsis ein wenig verärgert zu sein. »Manchmal muss man ein wenig improvisieren.«
Beim nächsten Würfeln fiel eine der kleinen Pyramiden auf ihrer Seite der Theke auf den Fußboden.
»Das zählt nicht.« Sie bückte sich, um den Würfel aufzuheben. »Ich bin gespannt, ob irgendwann das Zeichen für Liebe erscheint. Mal sehen, was es prophezeit hätte. Zusammen mit dem anderen Würfel wärest du drei Felder weitergerückt. Diese Position ist irgendwie interessant. Sie bedeutet: ›Glück folgt auf Kummer.‹ Irgendwie rätselhaft. Ich weiß nicht, wie ich das interpretieren soll.« Sie beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Theke. »Es ist schon lange her, seit du mit jemand Besonderem hier warst.«
»Ich habe meine Verabredungen und alles sieht gut aus, aber dann rufen sie mich nicht mehr an.«
Sie verdrehte die Augen. »Erzähl mir keinen Unsinn. Du bist es doch, der nicht zurückruft. Als du das letzte Mal hier warst, haben mir zwei Frauen tatsächlich Geld angeboten, wenn ich ihnen deine Telefonnummer verrate, und ständig davon geschwärmt, was für ein heißer Typ du bist. Du sähest so unglaublich gut aus, wiederholten sie ständig. Ihnen zuzuhören war total ätzend. Dann wetteten sie miteinander, wer von ihnen mit dir nach Hause gehen würde. Es liegt wohl an deinen dunklen Augen. Und an deinem Bart, vermute ich. Beides verleiht dir so ein europäisches Flair.«
»Und welche von beiden hat gewonnen?«
»Wer mit dir nach Hause ging? Du kannst dich nicht einmal daran erinnern, oder?« Sie schüttelte den Kopf und lächelte mich kokett an.
Unter gewöhnlichen Umständen hätte ich sicherlich daran gedacht, ein wenig mit ihr herumzuflirten. Aber heute war ich nicht fähig, meine übliche Nummer abzuziehen. »Diane, ich freu mich wirklich über deine Komplimente, aber ich bin im Moment viel zu angespannt, um angemessen darauf zu reagieren. Ich habe für all das nicht die nötige Energie.« Ich sammelte die Würfel und die Spielsteine ein und legte sie in den Kasten zurück.
»Na schön.« Sie stützte die Hände flach auf die Decke und stemmte sich hoch. Sie war sichtlich eingeschnappt. »Werd ein wenig lockerer. Du tust dir keinen Gefallen, wenn du alles so ernst nimmst.«
Für eine Goth war das eine ziemlich übertriebene Reaktion. Sie beachtete mich nicht mehr und begann die Gläser zu spülen, die Bar zu säubern und die Tageseinnahmen zu zählen. Jedes Mal, wenn sie sich bückte, rutschte ihre Hüftjeans weit genug herab, um den Ansatz des Tales zwischen ihren Gesäßhälften zu entblößen.
Ihre Bemerkung über meinen Bart war schmeichelhaft. Ich hielt ihn immer kurz geschnitten und er unterstrich mein professionelles Image, aber ich hatte ihn aus einem völlig anderen Grund wachsen lassen. Nämlich um ein feuerrotes Muttermal an meinem Unterkiefer zu verbergen. In meiner Jugend hatte ich mich deshalb oft zutiefst geschämt. In etwa geformt wie der Buchstabe Q, prangte es in meinem Gesicht wie eine hässliche Narbe.
Es war vier Uhr, als der Kellner, Stan, die Bar verriegelte und Diane ihre Arbeit beendet hatte. Aus dem Eingang warf ich einen prüfenden Blick auf die Straße und überlegte, ob ich es wagen könnte, nach Hause zu gehen. An der Kreuzung Thompson und Bleecker sah ich am Bordstein einen silbernen Range Rover stehen. Konnte das Eris sein?
Ich entschied, kein Risiko einzugehen, und bot Diane an, sie zur Chase Bank auf dem Broadway zu begleiten, um die Tageseinnahmen in den Nachttresor einzuschließen. Während der letzten beiden Stunden war die Temperatur deutlich gestiegen. Auf den Straßen herrschte angesichts der frühen Morgenstunde ausgesprochen reger Betrieb. Es waren vorwiegend Bewohner von Apartments, die nicht über den Luxus einer Klimaanlage verfügten. Ein Mann lehnte an einem Schaufenster und hielt fünf Ratten, zwei weiße, zwei braune und eine gescheckte. Ihre langen nackten Schwänze baumelten unter seinem Arm heraus und zuckten, wenn er die Tiere streichelte. Seine Baseballmütze lag umgedreht vor ihm auf dem Bürgersteig.
»Er steht jede Nacht hier«, sagte Diane. »Er verschwindet gegen Morgen, weil ein Hotdog-Stand diese Stelle gepachtet hat. Die Leute geben ihm Geld, damit er die Ratten füttern kann.«
Sie legte den braunen Umschlag mit dem Geld aus der Clubkasse in den Nachttresor der Bank und schloss die Schublade. Ich
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