Babylon: Thriller
mich wie einen Kriminellen?«
»Wir versuchen nur, die Fakten zusammenzutragen, Mr. Madison. Ein Mann ist tot. Lassen Sie hören, was Sie dazu zu sagen haben.«
Seine Reaktion erfüllte mich nicht unbedingt mit Zuversicht. »Na schön. Ich kam her, weil jemand Hal einen Schuss mit hochgradig reinem Heroin verpasst hat, nämlich eine Frau, die ich auf Hals Party kennengelernt habe. Ich hörte, wie sie und ein anderer Mann mit Hal stritten, als ich die Party verließ.«
»Oh? Und um welche Zeit war das?«
»Etwa gegen Mitternacht. Ich bin direkt zu einem Club gefahren. Sie können das gerne nachprüfen, wenn Sie wollen.«
Ich wusste, dass Diane meine Aussage bestätigen würde, und der Zeitrahmen würde mich als Tatverdächtigen ausschließen. Ich nannte ihm den Namen des Clubs und erklärte, wie er Diane erreichen könne. Gentile kritzelte etwas auf ein Notizblatt und reichte den Zettel Peres, der den Raum verließ. Ich betete im Stillen, dass Diana bereits an ihrem Arbeitsplatz war.
Gentile fuhr fort: »Können Sie diese Leute identifizieren?«
»Der Name der Frau war Eris. Ihren Nachnamen kenne ich nicht. Sehr attraktiv, Ende zwanzig, körperlich fit, um die eins fünfundsechzig groß. Der Mann in ihrer Begleitung maß sicher über zwei Meter und war ziemlich massig.«
Gentile wischte sich mit einer Hand über die Stirn. Obgleich es in dem Raum ausgesprochen kalt war, schwitzte er heftig. Sein Gesicht war so rot wie rohes Rindfleisch. »Colin Reed beschrieb die Frau genauso. Er behauptete, sie habe die Party schon vor ihm verlassen.«
Natürlich würde Reed, ein verheirateter Mann, das eher erzählen, als zuzugeben, dass er mit ihr hatte ins Bett gehen wollen. »Wenn sie wirklich gegangen ist, muss sie später wieder zurückgekommen sein. Jedenfalls habe ich sie dort gesehen.«
Gentile machte sich weitere Notizen auf seinem Schreibblock, aber ich konnte erkennen, dass er meiner Geschichte keinen Glauben schenkte. »Sind Sie wieder im Geschäft? Wie ist Vanderlin an seine Drogen herangekommen?«
»Schauen Sie in Ihren Akten nach. Sie wissen, dass ich nie etwas mit Opiaten zu tun hatte.«
Gentile tat so, als schlage er seinen Aktenordner auf. Eine lächerliche Geste, denn er hatte das Ganze sicherlich längst nachgelesen, ehe er den Raum betreten hatte. Er blätterte ein paar Seiten weit. »Verurteilt wegen einfachen Diebstahls vierten Grades, 1989, wegen Handels mit Marihuana. 1990 angeklagt wegen des Verkaufs einer verbotenen Substanz, zweiundzwanzig Gramm Kokain. Aus der Geschichte haben Sie sich herauswinden können. Vielleicht betreiben Sie Ihre Geschäfte jetzt in größerem Stil.«
»Das war in meiner wilden Jugend. Ich war damals noch ein halbes Kind. Mit all dem habe ich längst Schluss gemacht. Außerdem waren die Mengen nicht der Rede wert.«
»In welcher Beziehung standen Sie zu Vanderlin?«
Diese Frage hätte ich ihm vor vierundzwanzig Stunden auf Anhieb beantworten können. Die Freundschaft zwischen uns war gelegentlich ziemlich gestört gewesen, aber ich hatte in Hals Gefühlen eine Bitterkeit mir gegenüber feststellen müssen, von deren Existenz ich nichts geahnt hatte. Trotzdem fiel meine Antwort für Gentile sehr kurz aus. »Mein Bruder und sein Vater waren befreundet. Wir wuchsen zusammen auf.«
»Ihr Bruder, das ist Samuel Diakos, und sein Vater ist Peter Vanderlin, nicht wahr?«
»Richtig. Samuel war mein Halbbruder, vierzig Jahre älter; eher wie ein Vater.«
»Warum haben Sie einen anderen Nachnamen?«
»Das ist eine lange Geschichte.«
»Ich habe Zeit.«
»Samuel und ich hatten denselben Vater. Er war im Zweiten Weltkrieg Widerstandskämpfer der ELAS , der griechischen Volksbefreiungsarmee. Samuel und er wurden von den Nazis geschnappt und in ein Arbeitslager gesteckt. Als die Lagerverwaltung erfuhr, dass mein Vater Goldschmied war, schickten sie ihn zur Deutschen Gold- und Silberscheideanstalt, einer Firma, die auf das Einschmelzen von Edelmetallen spezialisiert war. Dort musste er den Schmuck inspizieren, den man den Gefangenen abgenommen hatte, und seinen Wert taxieren.«
»Offensichtlich hat ihr Vater überlebt.«
»Das hat er. Eines Tages fand er einen Ring zwischen dem anderen Schmuck, den er einst für Samuel angefertigt hatte. Er glaubte, sein Sohn sei tot. Nach Kriegsende floh er in die Türkei, weil das griechische Regime Jagd auf alles machte, was politisch links stand. Er hielt seine Identität geheim und gab sich einen türkischen Nachnamen – Madak. Jahre
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