Babylon: Thriller
Sonnenbrille mit Chromgestell. Im Minutenabstand drehte er sich, schob die Hüften vor und nahm eine neue Elvis-Pose ein. Der andere Performancekünstler, ein paar Schritte entfernt, trug ein Narrenkostüm. Eine schwarz-goldene Mütze mit kleinen Glöckchen und einen schwarzen, hautengen Overall mit weißem Kragen. Auf jedem Revers seines Kragens befand sich das Symbol einer Spielkartenfarbe: Pik, Herz, Karo, Kreuz. Sein Gesicht wurde vollständig von einer weißen Porzellanmaske verhüllt. Auf seinem linken Handgelenk erkannte ich eine rote Tätowierung.
Laurel hob eine Hand und hielt sie sich vors Gesicht. »Wer ist das?«
»Gute Frage. Der Elvis ist wahrscheinlich ein echter Straßenkünstler, aber der Narr muss zu den Leuten hinter der Alchemie-Website gehören.«
Wir befanden uns in einem dicht bevölkerten Park, deshalb fühlten wir uns einigermaßen sicher. Wir warteten ab, um zu sehen, was er tun würde. Sein Blick wanderte zu Laurels Brüsten und saugte sich daran fest. Ich legte einen Arm um sie, um ihm unmissverständlich klarzumachen, dass sie zu mir gehörte, und dann hob ich die andere Hand und zeigte ihm den Stinkefinger.
»Verschwinden wir«, sagte ich. »Dieser Typ macht mich nervös.«
Damit waren es schon drei – Eris, Shim und dieser Typ im Narrenkostüm. Und sie stellten nicht nur für mich, sondern jetzt auch für Laurel eine Gefahr dar. Das Einzige, was mir dazu einfiel, war, mich schnellstens nach eigenen Verbündeten umzusehen, um mit ihrer Überzahl gleichzuziehen. Das bedeutete, dass ich Laurel ins Bild setzen und Tomas’ Hilfe in Anspruch nehmen musste. Ich wollte sowieso in Erfahrung bringen, was Tomas wusste, und dies lieferte einen geeigneten Vorwand. Ich könnte sie einweihen und hätte gleichzeitig noch etwas in Reserve. Ich hoffte, dass Hals Speicherstick bei Nina sicher war. Die einzige andere Datei befand sich auf meinem BlackBerry, und Eris und ihre Freunde würden ganz gewiss nicht an sie herankommen. Ich berichtete Laurel von dem Buch Nahum und was Tomas mir darüber erzählt hatte.
»Jetzt verstehe ich, weshalb sie so wild dahinter her sind«, sagte sie, als sie sich von ihrer Verblüffung über diese Information einigermaßen erholt hatte. »Kein Wunder, dass die Tafel ein Vermögen wert ist. Was sagtest du, wie er heißt – Tomas Zakar? Bist du dir bei ihm ganz sicher, was seine Motive betrifft?«
»Samuel hat ihn im Irak angestellt. Das stimmt eindeutig.«
»Woher weißt du, dass er dir nicht irgendeine Fantasiegeschichte erzählt? Er könnte wer weiß wer sein. Was wäre, wenn er mit irgendwelchen Terroristen in Verbindung steht?«
»Völlig unmöglich. Samuel hätte sich niemals so einen ins Team geholt. Ich möchte, dass du ihn kennenlernst. Ein drittes Augenpaar hilft uns vielleicht, das Rätsel zu knacken. Es hat sicherlich wenig Sinn, in dieser Sache getrennt zu marschieren.«
»Na schön. Aber wenn er dir irgendwie seltsam vorkommt, zieh dich sofort zurück. Hals Spiel hat uns völlig in seinen Bann geschlagen, und das scheint dir gar nicht bewusst zu sein. Es macht mir große Sorgen, wenn ich sehe, wie du dich blindlings auf alles stürzt, von dem du glaubst, dass es dich irgendwie weiterbringt.«
Bei dieser Bemerkung gingen mir die Nerven durch. »Laurel, ich wurde bedroht und mein Leben ist in Gefahr. Und sieh dir nur mal an, was gerade passiert ist. Diese Leute haben keine Hemmungen und tauchen auf, wo sie wollen, sogar in einem öffentlichen Park, wo es von Menschen wimmelt. Sie fürchten sich vor gar nichts. Und wie kommt es, dass sie mir ständig auf den Fersen sind? Du hast recht, ich handele überstürzt. Aber ich habe verdammt noch mal keine andere Wahl!«
»Warum bist du gleich so wütend? Ich will dir doch nur helfen.« Sie hakte sich bei mir unter. »Gemeinsam schaffen wir das schon.«
Die Wohnung stünde auf deren Liste der Orte, wo ich am wahrscheinlichsten zu finden wäre, sicherlich ganz oben. Ich musste schnellstens von dort verschwinden. Laurel wartete an der Ecke im Caffè Dante, während ich schnell ins Haus eilte, um ein paar Sachen zu holen. Ehe ich die Wohnung betrat, wartete ich jedoch unten im Eingang von Kenny’s und hielt Ausschau nach möglichen Verfolgern.
Sobald ich in meinen vier Wänden war, raffte ich einige Kleider und Toilettenartikel zusammen und verstaute sie mit Samuels letztem Tagebuch in einem kleinen Koffer. Meine Schatzkiste schob ich nach hinten in den Kleiderschrank, legte eine Decke darüber und stellte
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