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Babylons letzter Wächter (German Edition)

Babylons letzter Wächter (German Edition)

Titel: Babylons letzter Wächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Reich
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wenn er doch seinem Stuhl nicht zu fliehen weiß? Was nützt einer Hausfrau aus Wyoming eine Hagelversicherung, wenn ein Regen ihr Haus wegspült? Aber wir wollen ihnen ja in Wirklichkeit ihre Ängste gar nicht nehmen. Wir wollen sie zu Geld machen. Denn Angst ist Geld, das auf der Straße liegt. Es wartet nur darauf, aufgehoben zu werden.“
     
    *
     
    Mel war von dem Seminar begeistert. Parker erklärte ihnen Strategien für den Berufsalltag, die sie nach eigenem Gutdünken verfeinern konnten. Wer wollte, konnte bei der Trust Agency seiner Kreativität freien Lauf lassen. Eine Woche später unterschrieb er den Vertrag, der ihn zum selbstständigen Salesman machte. Endlich raus aus dem stickigen Büro und rein ins reale Leben! Sein ganzes Arbeitsleben lang war er Schreibtischtäter gewesen. Bei Brooks Brother’s kaufte er drei neue Anzüge. Schwarz, anthrazit und grau. Seiner Turnschuhe entledigte er sich im nächsten Mülleimer. Der neue Mel war geboren.
    Die Anfänger bekamen ein Revier zugeteilt. Später konnten sie sich einen eigenen Kundenkreis aufbauen. Mel musste sich zuerst in der Zentrale melden, wo er einen Stadtplan bekam, in dem sein Gebiet mit rotem Filzer eingetragen war. Dazu sein kleines Black Book, in Leder ausgeschlagen mit dem Firmenlogo auf der Front. Zum ersten Mal in seinem Leben war er mit Stolz erfüllt.
     
    *
     
    Seine Schwäche waren die Frauen. Seit frühester Jugend ließ er sich zu dem einen oder anderen Flirt hinreißen. So hatte er auch seine Frau kennen gelernt. Der sichere Hafen der Ehe hatte ihn vor sich selbst beschützt. Das, und ein Job, bei dem er langweilige Papiere wälzte und kaum mit Menschen Kontakt hatte. Hatten ihn all die Jahre vor dem Gröbsten bewahrt. Nun war er auf der Straße, Vogelfrei und vögelfrei. Den Schönheiten ausgesetzt.
    Hinter den Türen, an die er klopfte, wohnten vernachlässigte Hausfrauen. Einsame Trockenblumen, die sich nach einem stattlichen jungen Mann sehnten, der sie zum blühen brachte. Anlehnungsbedürftige Witwen. Jeder Ratgeber für angehende Aufreißer empfahl den Besuch einer Achterbahn mit seiner Auserwählten. Wenn sie Angst empfand, würde sie sich an einen schmiegen, und wäre wie Wachs in den Händen. Der Mann konnte seine Rolle als Beschützer voll ausspielen. Und ihre Schenkel würden sich öffnen wie eine Rose im Morgentau. Nicht anders verhielt es sich mit der Tätigkeit als Versicherungsvertreter.
     
    *
     
    „ Guten Tag. Mel Fleshner ist mein Name. Ich komme von der Trust Agency um bei ihnen nach dem Rechten zu sehen. Kann ich mit dem Herrn des Hauses sprechen?“
    „ Mein Mann ist arbeiten. Da müssen sie schon mit mir vorlieb nehmen.“
    „ Entschuldigung, mein Fehler.“
    „ Macht nichts. In meiner Ehe habe ich die Hosen an. Was ist ihr Anliegen?“
    „ Mir ist ihre marode Eingangstür aufgefallen.“
    „ Na, da übertreiben sie aber.“
    „ Wussten sie, dass sich die Diebstahlquote in ihrem Viertel binnen weniger Jahre nahezu verdoppelt hat?“
    „ Ich denke, das betrifft eher die Nachbarn. Bei uns wurde bisher noch nie eingebrochen.“
    „ Alles eine Frage der Zeit. Würden sie mir erlauben, die Sicherheit ihrer Wohnung auf die Probe zu stellen?“
    „ Nur zu.“
    „ Dann gehe ich jetzt raus und sie verschließen die Tür hinter mir. Drehen sie den Schlüssel bis zum Anschlag herum und ziehen ihn dann raus.“
    „ Okay.“
    Mel trat einen Schritt zurück und wartete, bis er das Rasseln der Schlüssel hörte. Ein ihm sehr vertrautes Geräusch. War er doch als Schlüsselkind in einem ähnlich kriminellen Viertel wie diesem aufgewachsen. Dann öffnete er seinen Koffer, um die Werkzeuge auszupacken, die man ihm bei der Einstellung ausgehändigt hatte. Mel entschied sich für die einfachsten Methoden. Sollte die Tür erstmal sehen, wie sie mit einem Schraubenzieher und einer Scheckkarte zu Recht kam.
    Für den Schraubenzieher war der Spalt nicht breit genug, also versuchte er es mit der flachen Plastikkarte. Er hörte das Rasseln von Metall, das auf Metall klackte, der Schließzylinder kam in Bewegung. Mit einem feinen Draht fummelte er im oberen Segment des Schlosses. Klack. Die Tür sprang auf. Das verdutzte Gesicht der Kundin sagte ihm, dass er einen neuen Vertrag so gut wie in der Tasche hatte.
    „ Und jetzt verraten sie mir, wie sie das geschafft haben.“
    „ Auch wenn sie das erschrecken mag: Mit einfachsten Utensilien, wie man sie in jedem Haushalt findet.“
    „ Nicht zu fassen!“
    „ Dann können

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