Baccara Collection 186
Leider gab es jetzt kein Zurück mehr. Sie hätte seinen Schwindel von Anfang an aufdecken müssen, doch letztlich hätte sie davon auch keinen Vorteil gehabt.
„Da haben Sie wohl Recht”, räumte Desiree ein. „Es wäre wirklich nicht gut, wenn wir uns vor den Angestellten oder den Gästen verplappern und einander förmlich anreden würden.”
„Meine Tarnung würde auffliegen”, bestätigte Mathis. „Und ich müsste langatmige Erklärungen abgeben, was ich aber lieber vermeide. Dann würde ich diesen Fall nämlich unter Umständen nie aufklären.”
Das lag nicht in Desirees Interesse. Sie war im Augenblick mit ihren Gedanken ganz woanders. Zum Beispiel fiel ihr auf, dass das Arbeitszimmer ihres Urgroßvaters durch Mathis’ Anwesenheit auf einmal viel kleiner wirkte. Obwohl zum Glück der Schreibtisch zwischen ihnen stand, hatte Desiree das Gefühl, die Nähe dieses Mannes und die Wärme seines Körpers zu spüren. Sie verfolgte seine geschmeidigen Bewegungen. Die Jeans schmiegte sich um seine kraftvollen Schenkel, deren Muskeln sich bei jedem Schritt anspannten, und unter dem Hemd wölbte sich seine breite Brust …
„Ist das die erste Warnung, die Sie erhalten haben?”
„Ja.” Desiree hatte das Gefühl, sich Luft zufächeln zu müssen, obwohl es hier drinnen nicht sonderlich heiß war.
„Was genau ist damit gemeint? Worauf spielt der Unbekannte an? Was bezweckt er damit? Haben Sie einen Verdacht? Will man Sie vertreiben?”
„Ich weiß es nicht.” Sie sprach ihre Gedanken laut aus, allerdings nur diejenigen, die sich auf die Drohung bezogen. Was sie sonst noch dachte und fühlte, hätte sie nicht über die Lippen gebracht, um keinen Preis der Welt. „Vielleicht hat es gar nichts zu bedeuten. Möglicherweise handelt es sich bloß um eine leere Drohung.”
„Alle Drohungen muss man ernst nehmen”, widersprach Mathis entschieden und lehnte sich gegen die Schreibtischkante.
„Und wenn es nun gar keine Drohung ist?” wandte sie ein.
Offenbar hatte Mathis sich für die Rolle des Advocatus Diaboli, des Anwalts des Teufels, entschieden. Daher nahm er die Gegenposition ein. „Wozu dann der Dolch?” hielt er ihr ernst vor.
„Was hätte es denn für andere Möglichkeiten gegeben?” fragte sie seufzend. „Vielleicht eine Nachricht mit Lippenstift auf dem Spiegel meines Schminktisches? Ein Brief, der unter meiner Schlafzimmertür durchgeschoben wird?”
„Nachrichten kann man einem Menschen auf die unterschiedlichsten Arten zukommen lassen”, gab Mathis zu bedenken. „Wozu also diese dramatische, ja geradezu melodramatische Geste? Ein einziges Wort, durchbohrt von einem Dolch? Das muss doch irgendeine Bedeutung haben.”
„Um mir den Ernst der Lage zu verdeutlichen?” fragte Desiree.
Mathis nickte zustimmend und verschränkte die Arme vor der Brust. „Genau.”
Wie sollte sie seinen Überlegungen folgen, wenn sich sein Jackett öffnete und den Blick auf die schmalen Hüften freigab, an denen die Jeans wie eine zweite Haut saß? „Jemand wollte also unbedingt meine Aufmerksamkeit erregen”, fuhr sie fort.
Sie konnte sich kaum konzentrieren.
„Ja, höchstwahrscheinlich.”
„Das ist ihm wirklich gelungen, wer immer auch dahinter stecken mag”, räumte sie keineswegs erfreut ein. Ein leichtes Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Das kann ich mir vorstellen.”
Desiree starrte fasziniert auf seine Lippen. Sie waren fest und für einen Mann erstaunlich sanft, wenn er lächelte, doch hart und bedrohlich, wenn er von Kampf, Krieg und Bedrohung sprach. „Dann glauben Sie also, dass ich mir keine Sorgen machen muss?” fragte sie hoffnungsvoll.
„Das habe ich nicht behauptet”, wehrte er sofort ab.
Nein, das hatte er leider nicht. Wie gern hätte Desiree von ihm gehört, dass ihr da nur jemand einen dummen Streich gespielt hatte.
„Wie ich schon sagte”, fuhr Mathis fort, „werden wir die Drohung absolut ernst nehmen. Meiner Erfahrung nach können sich auch aus den harmlosesten Dingen äußerst gefährliche Situationen entwickeln.”
„Also lieber zu vorsichtig als zu nachlässig”, meinte Desiree nachdenklich. Wobei sich ihre Vorsicht durchaus auch auf ihn erstrecken sollte.
„Ja, allerdings.” Mathis betrachtete stirnrunzelnd Dolch und Nachricht. „Wenn es um Fragen der Sicherheit geht, darf man nichts als gegeben voraussetzen. Das würde nur das Risiko erhöhen. Außerdem habe ich noch nie einen Fall abgeschlossen, bevor nicht alle Unklarheiten beseitigt
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