Baccara Collection 186
gekommen. Das hat Nikki völlig aus der Bahn geworfen. Seither macht sie nichts als Ärger.”
„Ärger?”
Linc zuckte die Schultern und fuhr sich nervös mit der Hand durchs Haar. „Sie schwänzt ständig die Schule. Wenn sie doch einmal hingeht, stört sie den Unterricht. Sie hat es so arg getrieben, dass der Direktor sie der Schule verwiesen hat. Er verlangt, dass sie sich in psychiatrische Behandlung begibt. Psychiater, dass ich nicht lache! Bis der herausgefunden hat, was Nikki fehlt - ihre Eltern nämlich, sonst gar nichts -, verpasst sie den Anschluss in der Schule. Deshalb braucht sie einen Hauslehrer.”
Er verschweigt mir doch was, dachte Meg. Sie wusste aus Erfahrung, dass sich die Fürsorge nicht einmischte, nur weil ein Kind mal im Stoff nachhinkte.
Ein leises Geräusch verriet Meg, dass jemand zu ihnen getreten war. Langsam wandte sie sich um. Meine Schwester, dachte Meg, als sie das langbeinige Mädchen mit den dunklen Haaren erblickte, und ihr Herz tat einen Sprung. Die Schwester, von der ich bis vor drei Wochen nichts geahnt habe.
Neugierig musterte sie die schlaksige Dreizehnjährige von oben bis unten.
Nikki Stoner trug einen knappen roten Minirock und ein T-Shirt, das gleich unterhalb der Brust abgeschnitten war. Meg vermutete, dass das Mädchen es selbst gekürzt hatte. Es lag so eng an, dass sich ihre aufknospenden Brüste darunter abzeichneten. Über ihre Verwandtschaft mit Meg bestand kein Zweifel: Sie war ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten.
Hastig blinzelte Meg ein paar Tränen fort. Hallo, kleine Schwester, dachte sie, wie schade, dass ich dich nicht so nennen darf.
Auch Nikki nahm ihr Gegenüber genau in Augenschein. „Hast du doch wieder eine Lehrerin für mich aufgetrieben?” fragte sie mürrisch.
„Das ist Miss Delaney, Nikki. Sie will mit dir arbeiten.”
„Ich aber nicht mit ihr.”
„Wart’s ab”, sagte Linc. „Miss Delaney wird auch bei uns wohnen, deshalb fände ich es besser, wenn du dich mit ihr anfreundest.”
Wütend starrte Nikki ihren Bruder an. „Ich hasse dich”, schrie sie, „ich hasse dich!” Dann drehte sie sich um und stürmte aus dem Zimmer.
Meg wäre ihr gerne nachgeeilt, doch sie durfte sich nicht verraten. Linc war die Szene furchtbar peinlich.
„Nicht ganz die liebevolle Familie, die Sie erwartet haben, nicht wahr?”
„Wenn das Jugendamt einschreitet, gibt es immer Probleme in der betreffenden Familie”, meinte Meg gelassen.
Nachdenklich betrachtete Linc Stoner die attraktive blonde Frau. Vielleicht war sie wirklich zu jung, sie konnte nicht älter als zwei-oder dreiundzwanzig sein, obwohl sie am Telefon deutlich reifer geklungen hatte. Andererseits hatte er keine andere Wahl, Nikki hatte bereits mehrere Bewerberinnen in die Flucht getrieben.
„Bis vor wenigen Monaten waren wir wirklich eine glückliche Familie. Erst der Tod unserer Eltern hat Nikki so verändert. Sie wird damit einfach nicht fertig.”
Linc sah Meg an und las zu seiner Überraschung in ihren großen, braunen Augen tiefes Mitleid und Verständnis. „Sie steckt voller Wut und lässt sie jeden spüren. Ihre besten Freundinnen haben sich von ihr abgewandt, selbst mir entfremdet sie sich von Tag zu Tag mehr. Ich habe ihr Hausarrest aufgebrummt, aber das hat sie nur noch rebellischer gemacht.
Eines Tages hat man sie beim Klauen erwischt. Zum Glück kannte ich den Eigentümer des Ladens und konnte ihn überreden, sie nicht anzuzeigen. Das war beim ersten Mal! Als sie zum zweiten Mal geschnappt wurde, war ich gerade auf Geschäftsreise. Sie wurde der Polizei übergeben, und die konnte mich nicht erreichen.”
Mit geballten Fäusten tigerte Linc im Raum auf und ab.
Noch nie hatte er sich so hilflos gefühlt. „Ich bin mit meiner Weisheit am Ende”, gestand er. „Sie darf erst wieder in die Schule, wenn ich garantieren kann, dass sie sich anständig aufführt. Jede Hauslehrerin, die ich engagiert habe, hat bis her gekündigt, weil Nikki die Mitarbeit verweigert. Und vor zwei Wochen ist sie davongelaufen. In meiner Panik habe ich den Sheriff verständigt. Und dann hat sich das Jugendamt eingeschaltet. Sie sind jetzt meine letzte Rettung.”
Jetzt oder nie! Meg musste ihm die Wahrheit anvertrauen, ehe es zu spät war. Die Idee hier zu bleiben, klang gar nicht übel. Immerhin ging es um ihre Schwester. „Nun, ich weiß nicht …” begann sie zaghaft.
„Ich zahle Ihnen das Dreifache.” Linc nannte eine Zahl, bei der es Meg den Atem verschlug. „Dazu
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