BACCARA EXKLUSIV Band 45
Labor-Day-Wochenende?“
„Am Labor Day? Er war in Michigan, bei einer Sitzung.“
„Er sagte, er sei mit Ihnen zu Hause gewesen, nur Sie beide. Sie hätten Ihre Haushälterin nach Hause geschickt, selbst gekocht und dann zusammen einen Film angesehen.“
Sarah war nie eine gute Lügnerin gewesen. Es war ihr auch nie in den Sinn gekommen, dass es überhaupt nötig sein sollte, zu lügen, bis es zu spät war. Viel zu spät. Also hatte sie nichts mehr gesagt.
Randall betrachtete ihr Gesicht. Er hatte Erfahrung darin, die Mienen anderer Menschen zu deuten. Sarah war geschickter darin, ihre Gefühle zu verbergen, als die meisten, aber er hatte sie in einer Situation, in der sie verwundbar war, überrumpelt. „Ist Ihnen der Gedanke gekommen, dass Sie der Cudahy mit Ihrer eigenen Version der Geschehnisse zuvorkommen könnten?“
4. KAPITEL
Randall stieß sich vom Küchentresen ab und kam ihrem Stuhl dabei so nah, dass er einen Duft wahrnehmen konnte, der von ihr ausging … Insektenspray? Shampoo? Unter anderen Umständen hätte er vielleicht ihre Schulter berührt, um ihr sein Mitgefühl auszudrücken, aber etwas sagte ihm, dass es ein Fehler wäre, Sarah zu nahe zu kommen.
Während sie behutsam die Beule über ihrem Auge befühlte, suchte er bei ihr nach Veränderungen, die seit ihrem ersten und einzigen Treffen stattgefunden hatten. Wenn man bedachte, was sie seit damals durchgemacht hatte, hatte sie sich erstaunlich wenig verändert. Immer noch dieselben großartigen Wangenknochen, dieselben ausdrucksvollen Augen. Derselbe etwas große Mund, der schnell lächelte, aber genauso schnell wieder ernst wurde. Und der Gesamteindruck? Kaum umwerfend, aber gut.
Er erinnerte sich an den Ausdruck in ihrem Blick damals, es lag eine gewisse Traurigkeit und Wachsamkeit darin. Dieser Ausdruck hatte sich im Lauf der Jahre kaum verändert, es lag vielleicht etwas mehr Missrauen darin. Und das sicher aus gutem Grund.
Sarah seufzte. „Ich glaube, das würde unsere alte Haushälterin ein Wehwehchen nennen.“
„Ein Wehwehchen? Mein alter Herr hätte es ein Veilchen genannt.“ Sein Vater war eine so schwache, verschwommene Erinnerung, dass Randall nicht wissen konnte, wie er es tatsächlich genannt hätte. Er wollte nur etwas zum Gespräch beitragen, aber Small Talk war noch nie seine Stärke gewesen.
„Ich hatte noch nie ein Veilchen.“ Ihr Ton war eine Mischung aus Stolz und Verzweiflung, und er fand ihn seltsam entwaffnend.
Sie bot wirklich einen erschreckenden Anblick. Kein Make-up, Kleidung wie aus dem Lumpensack, Kiefernnadeln in ihrem Haar, Kratzer auf ihren Händen und ein brandneues Veilchen, das kurz davor war, voll aufzublühen. Es war nichts Verführerisches an ihr, und doch ertappte er sich dabei, dass er sie ansah, wie er schon seit Jahren keine Frau mehr angesehen hatte.
Welche, fragte er sich, ist die wahre Sarah Mariah Jones Sullivan? Der linkische Teenager, den ihr Vater unzählige Male wie ein Bühnenrequisit benutzt und dann ignoriert hatte? Oder die beherrschte Frau, die ihrem Vater beigestanden hatte, als seine Karriere zerstört war, und die dann gezwungen gewesen war, ein paar Jahre später unter noch peinlicheren Umständen dasselbe für ihren Mann zu tun? Oder dieses zerbrechliche Geschöpf mit dem unordentlichen Haar, dem verschwitzten Hemd und dem nassen Tuch, das ihr halbes Gesicht bedeckte?
Sie mochte zerbrechlich wirken, aber in ihr steckte eine erstaunliche Kraft, ganz zu schweigen von ihrem Mut. Er dachte an die Berichte über die beiden Skandale. Sarah hatte immer versucht, unbemerkt zu entkommen, aber wenn die Meute sie in die Enge getrieben hatte, bewahrte sie Haltung und beantwortete jede Frage höflich, bis jemand – wahrscheinlich die Haushälterin, die sie erwähnt hatte – sie rettete.
Dieselbe Frau saß jetzt nur einen halben Meter von ihm entfernt und sah in ihrer ausgebeulten Jeans, dem verschwitzten, fleckigen Hemd und mit ihrem zerzausten Haar nicht weniger beherrscht aus. Ihm wurde bewusst, dass er für einen erfahrenen Reporter ein zu persönliches Interesse an dieser ganzen Geschichte zu haben begann.
„Ich lasse Sie jetzt besser allein, nachdem ich Sie ja nun gewarnt habe. Tun Sie, was Sie für richtig halten.“
„Nein, warten Sie. Bitte.“ Sie streckte eine Hand aus. Sie war gerötet, der Daumen arg gequetscht, und ein langer Kratzer bedeckte den Handrücken. Was, zum Teufel, tat sie hier nur? Grub sie sich einen Bunker?
Wider bessere Einsicht lehnte
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