BACCARA EXKLUSIV Band 45
sie nicht in der Verfassung war, mit einer Situation fertig zu werden, die solchen Aufruhr in ihr verursachte.
„Können wir bitte einfach nicht darüber sprechen?“ Na schön, dann war sie eben ein Feigling.
Er betrachtete sie kurz, ohne etwas zu sagen, und das rief ihr schmerzlich in Erinnerung, dass nicht nur ihr Gesicht ein fürchterlicher Anblick sein musste. Sie trug ein T-Shirt, das aus ihrer College-Zeit stammte, und eine Jeans, die sie in einem Secondhandladen gekauft hatte. Und ihr Haar war seit über einem Jahr nicht mehr in die Nähe eines Friseurs gekommen und außerdem wahrscheinlich voller Zweige, Kiefernnadeln und Insekten.
Randall nickte kurz. „Natürlich. Am besten arbeite ich weiter an den Fensterläden, bis du wieder zu Atem gekommen bist. Du kannst dir inzwischen etwas auf diese Kratzer tun.“
„Warum lässt du mich nicht selbst entscheiden, was ich tun werde?“, fuhr sie ihn an. Die Situation ließ kein steifes Sie mehr zu, das war auch kein Problem, aber was war plötzlich in sie gefahren, dass sie ihn so anpfiff?
Ohne ein weiteres Wort drehte Randall sich um und hielt auf den Schuppen zu. Sarah starrte auf seinen Rücken, die breiten Schultern im schweißfleckigen Hemd, die schmalen Hüften. Warum sahen Männer in Arbeitskleidung so unglaublich sexy aus, während Frauen nur verschwitzt wirkten?
Wenn schon ein selbst ernannter edler Ritter ihr zu Hilfe kam, musste es dann ausgerechnet der einzige Mann auf der Welt sein, von dem sie die aufregendsten Träume gehabt hatte?
Randall stieß einen leisen Fluch aus. Warum, zum Teufel, hielt er sich noch hier auf? So viel also zu seinen ehrenhaften Absichten. Die verflixte Frau nutzte ihn aus. Sie hatte nicht das Recht, ihn anzusehen, als ob sie sterben würde, wenn er sie nicht küsste.
Was sollte ein Mann da tun? Er wollte schließlich nicht ihre Gefühle verletzen. Und der Kuss, Veilchen hin, Veilchen her, war ihm nicht gerade schwergefallen.
Na schön, er hatte vielleicht schon vorher ein paar Mal daran gedacht, sie zu küssen, vielleicht sogar daran, wie sie im Bett sein mochte – ob sie ihre guten Manieren, die sie ihr ganzes Leben lang an den Tag gelegt hatte, auch im Schlafzimmer nicht vergaß. Ob sie wild und hemmungslos sein würde oder witzig und süß und rührend tollpatschig.
Was immer sie sonst sein mochte, sie war eine attraktive Frau, und er war ein normaler Mann. Die Tatsache, dass er ein paar Jahre keine Beziehung gehabt hatte, hatte überhaupt nichts zu bedeuten. Er würde Sarah nie benutzen.
Im Lauf der Jahre hatte es ein paar kurzlebige Affären gegeben, die nur sexueller Natur waren und nicht im Mindesten bedeutungsvoll. Denn trotz allem hatte er nie aufgehört, sich immer noch wie ein verheirateter Mann zu fühlen.
Aber es war schon seltsam, dass er jetzt eine Frau begehrte, die er beschützen wollte. Vielleicht hatte die Vergangenheit sie beide zu sehr mitgenommen. Er war mit den besten Absichten hergekommen, aber irgendwann hatte er seine Objektivität verloren. So war es ihm auch mit seiner Arbeit gegangen, deshalb hatte er ja auch die Kündigung eingereicht. Jahrelange gefühlsmäßige Erschöpfung nahm einem Mann die Kraft und den Willen, sich auf neue Abenteuer einzulassen.
Randall stellte die Leiter an die Hauswand und rammte die Füße in den Boden, um sie zu sichern. Er war schon halbwegs oben, bevor ihm einfiel, dass er das Werkzeug unten gelassen hatte. Resigniert stöhnte er auf. Kein Zweifel, er fing langsam an überzuschnappen.
Als er die Scharniere angebracht hatte, die die Fensterläden an der Wand hielten, hatte Randall es geschafft, sich die Situation zu seiner Befriedigung zu erklären. Die alten Skandale waren so oft durchgekaut worden, dass das logische Ziel für die Presse diesmal das Opfer sein musste, also die Witwe des Missetäters. Wo war sie? Hatte sie wieder geheiratet? Hatte sie einen Liebhaber? Hatte sie eine ähnliche Lebensweise wie die ihres Exmannes angenommen? Zierte sie womöglich die Seiten einschlägiger Männermagazine?
Randall hatte das sichere Gefühl, dass es Sarah ebenso wenig gefallen würde, als Opfer zu gelten, wie mit den beiden Männern in ihrem Leben gleichgestellt zu werden. Als der selbst ernannte Gute in dieser Geschichte musste er dafür sorgen, dass keins von beidem geschah oder dass sie wenigstens nicht beleidigt und verletzt wurde. Und da er schon mal da war, konnte er genauso gut noch ein paar Tage bleiben, bis sich das größte Interesse gelegt
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