BACCARA EXKLUSIV Band 61
mich erinnern kann, auf Distanz gehalten. Manchmal denke ich, du hast dir absichtlich die ungeeignetsten Typen als Freunde gesucht. Manche mögen darin das Bedürfnis nach Selbstbestimmung sehen. Ich nenne es Angst, verlassen zu werden.“
Elizabeth fasste es nicht. „Du meinst, das hängt mit Daddys Tod zusammen?“
„Ja. Wie gesagt, für mich sieht es so aus, als hättest du Angst, dich an einen Mann zu binden, weil er sonst geht. Genau wie Daddy.“
„Das ist lächerlich. Daddy konnte doch nichts dafür, dass er starb.“
„Trotzdem. Du warst schon immer die Ängstliche von uns drei Schwestern, auch wenn du das selten zeigst. Bitte mich nicht, das näher zu analysieren. Die Psychologin bist schließlich du.“
„Ich sehe da immer noch keinen Zusammenhang.“
„Den gibt es sehr wohl. Du hingst immer sehr an Daddy, hast ihn als jüngste Tochter viel mehr idealisiert als Mary Ellen und ich. Bei Nesthäkchen ist das nicht ungewöhnlich.“
„Du meinst also, dass ich wegen Daddy Probleme habe, die ich aufarbeiten muss.“
„Nein. Ich meine, dass du einen Komplex hast, weil du meinst, dass Daddy dich verlassen hat, und der beeinflusst dein Liebesleben, das, wenn mich nicht alles täuscht, immer noch gleich null ist. Ein Problem nennst du es.“
Elizabeth stöhnte auf. „Ich hasse es, wenn du so neunmalklug bist!“
Virginia lachte. „Ich weiß. Schlimm, nicht?“
„Ab jetzt werde ich Mary Ellen um Rat fragen.“
„Viel Glück. Sie ist selten zu erreichen, weil sie dauernd Besprechungen mit dem Architekten hat, der ihr Haus umbaut.“
Elizabeth hatte nicht vor zu erwähnen, dass Ben auch Architekt war. Sie würde Ben überhaupt nicht erwähnen. Basta. „Tja, dann danke, Schwesterherz. Ich fahre jetzt zu meinem Hotdog mit Chilisauce und meinem kleinen Fernseher nach Hause und werde so tun, als hätten wir dieses Gespräch nie geführt.“ Von wegen. Virginia hatte ihr so viel zum Nachdenken gegeben, dass sie den ganzen Abend nichts anderes tun würde.
„Warte! Du kannst doch nicht auflegen, ohne mir etwas von dem neuen Mann in deinem Leben zu erzählen.“
Elizabeth zögerte. Dann fügte sie sich in das Unvermeidliche und berichtete Virginia von Ben. Warum sollte sie auch leugnen, dass es ihn gab? Das würde Virginia nur vermuten lassen, dass Ben ihr wichtig war.
Als sie geendet hatte, pfiff Virginia leise durch die Zähne. „Weißt du, was ich an deiner Stelle tun würde?“
„Was? Flüchten?“
„Es wagen. Wenn es nicht klappt, hast du nichts verloren. Wenn es klappt – also, du hast ja keine Ahnung, wie wunderbar eine echte Beziehung sein kann.“
„Er will keine echte Beziehung. Ich glaube vielmehr, dass er nur auf ein bisschen Spaß aus ist.“
„Wie kommst du darauf?“
„Weil er noch nie von einer Bindung oder Beziehung gesprochen hat. Um ehrlich zu sein, hat er nicht mal direkt gesagt, dass er seine Frau geliebt hat.“
„Trotzdem, wag es. Du kannst seine Einstellung doch ändern.“
„Wer ist hier eigentlich die Therapeutin?“, fragte Elizabeth lachend.
„Wer hat denn wen angerufen?“, gab Virginia zurück. „Ich muss Schluss machen, Ruth Anne verlangt nach ihrem Fläschchen. Aber ich ruf dich bald mal an. Ich möchte die Fortsetzung dieses Romans nicht verpassen.“
„Noch ist es kein Roman. Jedenfalls kein Liebesroman.“
„Na, dann mal los, Schwesterherz. Wird Zeit. Wunderbare Männer stehen nicht an jeder Straßenecke.“
„Wer sagt denn, dass jede Frau einen Mann braucht?“
„Niemand. Aber du willst diesen einen bestimmten. Du hast nur Angst, das Glück mit beiden Händen zu packen. Darum nochmals mein Rat: riskier’s!“
„Ehe du mir noch mehr gute Ratschläge gibst, verabschiede ich mich lieber.“
Im Hintergrund hörte Elizabeth ihre kleine Nichte brüllen. „Und ehe du sie alle ablehnst: Wiedersehen, Schwesterchen, und bis demnächst“, sagte Virginia schnell und legte auf.
Noch immer lächelnd rief Elizabeth Ben an und hinterließ folgende Nachricht auf seinem Anrufbeantworter: „Ich würde am Donnerstag sehr gern unter den von dir genannten Bedingungen ins Kino gehen. Allerdings möchte ich auch noch Karamellen, oder du kannst es vergessen. Bis dann.“
Nachdem sie alle Schreibarbeiten des Tages erledigt hatte, blieb Elizabeth tief in Gedanken an ihrem Schreibtisch sitzen. Sie war zwar eine gute Therapeutin, aber ihre eigenen Schwächen hatte sie nicht erkannt. Ihre Schwester dagegen hatte ihr auf den Kopf zugesagt, wo ihr Problem
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