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Back to Black - Amy Winehouse und ihr viel zu kurzes Leben

Back to Black - Amy Winehouse und ihr viel zu kurzes Leben

Titel: Back to Black - Amy Winehouse und ihr viel zu kurzes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Schuller
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einer kleinen Menge breit zu sein. Dies war ein ernstzunehmender Hinweis auf den offensichtlich angegriffenen Zustand ihrer Leber.
    »Als sie ›Wake up alone‹ anstimmte, das sie ihrem inhaftierten Mann gewidmet hatte, ließ sie schon nach der ersten Strophe plötzlich weinend das Mikrofon fallen«, erzählte Coleman. »Sie rettete sich gerade noch so her-über, doch bei ihrem nächsten Song, ›Unholy War‹, brachen dann alle Dämme, und sie musste von einem Roadie gestützt werden.«
    Amy riss sich jedoch noch einmal zusammen, wischte ihre Tränen weg und entschuldigte sich im Tonfall eines schüchternen kleinen Mädchens bei ihrem Publikum.
    »I’m sorry«, sagte sie leise. Es klang sehr ehrlich.
    In der Halle brandete Applaus auf, einige Fans riefen
ihr aufmunternde Worte zu, aber plötzlich hörte man auch Buh-Rufe.
    »Innerhalb weniger Augenblicke teilte sich die Halle in zwei Lager. Und Amy machte den größten Fehler, den ein Künstler machen kann – sie beschimpfte ihr Publikum«, schilderte der Reporter die letzten Minuten dieses dramatischen Konzerts.
    »Ihr Penner«, schrie sie von der Bühne herunter, »wartet nur, bis mein Mann aus dem Knast kommt!«
    Jetzt kippte die Stimmung in Birmingham endgültig. Begleitet vom Applaus ihrer Unterstützer und einem immer lauter werdenden Pfeifkonzert der Enttäuschten – die Atmosphäre in der Halle glich inzwischen der eines Derbys zwischen dem FC Chelsea und dem FC Arsenal – konnte Amy gerade noch eben »Rehab« durchziehen und torkelte schließlich von der Bühne. Die Halle begann sich rasch zu leeren, aber Amy wurde hinter der Bühne offensichtlich von ihrem Management überzeugt , noch einmal rauszugehen, um irgendwie zu retten, was ja eigentlich nicht mehr zu retten war. Natürlich war es Raye Cosberts Job, aber er war damit auch derjenige, der die Verantwortung dafür trug, dass Amy dabei an einen bemitleidenswerten Delinquenten erinnerte, der zu seiner eigenen Hinrichtung stolpern musste .
    »Während immer mehr Konzertbesucher zu den Ausgängen strömten, kämpfte sich Amy tränenüberströmt durch zwei Zugaben und warf schließlich den Mikrofonständer von der Bühne hinunter«, erinnerte sich Coleman, der darauf verzichtete, das Konzert zu bewerten. »Denn es war die Show eines verstörten Menschen, die von Anfang an nicht hätte stattfinden dürfen .«

    Mit dieser Meinung stand der Journalist, der sich um eine differenzierte und faire Berichterstattung bemüht hatte, nicht alleine da (während die berüchtigte »Sun« genüsslich einen Konzertbesucher zitierte: »Der Song, den sie ihrem Mann gewidmet hatte, klang so, als sei eine Katze am Schwanz durch die Luft gewirbelt worden!«). Es hatte sich niemand dafür zuständig gefühlt, ihr eine solche Demütigung zu ersparen.
    Es schien, als hätte selbst Amys »extrem ruhiger, belastbarer« Manager Raye Cosbert inzwischen wohl Schwierigkeiten damit, seinen unzähmbaren Schützling zu bändigen. Wahrscheinlich hatte er schon während der Skandinavien-Tour kapituliert, wo die »Rolling Stone«-Reporterin Jenny Eliscu vor Amys Oslo-Gig mit Befremden festgestellt hatte, dass Amy (damals noch gemeinsam mit Blake) sich selbst überlassen war.
    Und jetzt wollten die unbestechlichen Wärter des Pentonville-Gefängnisses sichergehen, dass Amy in ihrem Bienenkorb kein Drogenbriefchen verborgen hatte, das sie Blake bei ihrem ersten Besuch hinter Gittern eventuell zustecken könnte. Sie nahm das künstliche Haarteil ab, das mit ihrem Echthaar kunstvoll verwoben war, und legte es auf einen Bürotisch zur Begutachtung.
    Dies war aber wohl erst der Beginn eines schmerzvollen Spießrutenlaufs, denn eine knappe Stunde später, als Amy beim Verlassen des Gefängnisses von den wartenden Paparazzi abgeschossen wurde, sah man eine am Boden zerstörte Amy mit wirrem Haar und geröteten Augen, blass, den Mund offen.
    Die Tournee wurde vorsichtshalber abgesagt. Island Records gab endlich eine Erklärung heraus, dass Amy auf
Anraten der Ärzte eine künstlerische Pause einlegen und sich etwas zurückziehen wollte.
    Doch da hatte die Jagd längst begonnen, patrouillierten vor der Eingangstür ihres Hauses in Camden Tag und Nacht Fotografen und Kamerateams. Und sobald sich die Tür auch nur einen Spalt öffnete, brach über Amy das Blitzlichtgewitter herein. Zum ersten Mal reagierte sie der Meute gegenüber aggressiv, denn es waren Jagdszenen, die sich nun beinahe täglich abspielten: eine panische Amy auf der Flucht,

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