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Back to Blood

Back to Blood

Titel: Back to Blood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolfe
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unflätiger Schwall aus Buhrufen und Beleidigungen über ihn. Ekelerregend! Die Cops verhafteten an der Spitze eines Bootsmasts einen armen Flüchtling, um ihn nach Kuba zurückzuschicken, und für die Drecksarbeit benutzten sie einen Kubaner, einen kubanischen Verräter. Aber nichts davon drang bis zum Sitz des Gerechtigkeitsempfindens in der linken Hälfte von Nestors Gehirn durch, das ganz auf das Publikum einer einzigen Person fixiert war — Sergeant McCorkle. :::::: Bitte, oh Herr, ich flehe dich an, mach, dass ich keine Scheiße baue. :::::: Ihm ist bewusst, dass er schon etwa die Hälfte hochgeklettert ist — Faust an Faust, ohne die Hilfe seiner Beine. Die Luft nichts als Lärm und Wahnsinn … Arme, Rücken und Brust an der Grenze zum Kollaps … Muss eine Pause machen, muss verschnaufen … aber keine Zeit … Er versucht sich umzuschauen. Er ist eingehüllt in die Segel des Schoners, in Wolken aus weißem Segeltuch … Er schaut nach unten … er kann es nicht fassen … wie weit unter ihm das Deck ist … er muss schon mehr als die Hälfte des Mastes hochgeklettert sein — dreizehn, vierzehn Meter. Die Gesichter auf Deck schauen alle nach oben, zu ihm … wie klein sie sind. Er sucht den Sergeant — Ist er das? … ist sich nicht sicher … Ihre Lippen bewegen sich nicht … sind vielleicht auch in Trance … americano- Gesichter, americano- Gesichter … alle auf ihn gerichtet. Er schaut nach oben … zum Gesicht des Mannes an der Spitze … der verdreckte Körperklumpen beugt sich weit vor, damit er nach unten schauen kann … er weiß ganz genau, was los ist — der Mob auf der Brücke … die Flut übler Beschimpfungen …. für Nestor Camacho! … Ekelerregend!
    »Gusano!«
    » Traidor! Mieses Schwein!«
    Oh ja, das Bündel Dreckwäsche weiß Bescheid. Jedes Mal, wenn der Jäger nach oben greift, das Seil packt, sich wieder ein Stück nach oben zieht, spürt das verdreckte Bündel ein schwaches Reißen an seinem Bootsmannsstuhl … Fock und Spinnaker FLATTERN FLATTERN FLATTERN im Wind … die Leinwandwolken wehen für einen Augenblick zur Seite … da ist er, der Mob auf der Brücke … Jesus Christus, sie sind nicht mehr weit über ihm … die Köpfe, vorhin noch so klein wie Eier … jetzt schon wie Melonen … eine Galerie räudiger, verzerrter Gesichter … meine eigenen Leute … hassen mich! … Ich bin verflucht, wenn ich es mache, und verflucht, wenn ich es nicht mache, schießt es durch sein zentrales Nervensystem — aber degradiert zum Streifenpolizisten — oder Schlimmerem — wenn ich es nicht mache. Oh, Scheiße, was sind das für blendende Sonnenstrahlen? Eine Fernsehkamera . Scheiße! Noch eine. Oh, Scheiße, da drüben ist noch eine. Bitte, oh Herr, ich flehe dich an … Angst durchströmt ihn wie ein kräftiger Schuss Adrenalin … Mach, dass ich keine … Er klettert weiter, Faust an Faust, ohne seine Beine zu Hilfe zu nehmen Er schaut nach oben. Der Mann auf dem Mast ist keine drei Meter mehr von ihm entfernt! Er schaut ihm mitten ins Gesicht! … Was für ein Ausdruck … das in die Enge getriebene Tier … die todgeweihte Ratte … durchnässt, verdreckt, entkräftet … keuchend …. kaum noch fähig zu einem Schrei nach wundersamer Erlösung.
    :::::: Ay, San Antonio, ayúdame, San Lazaro, este conmigo .::::::
    Jetzt — muss Nestor eine Pause machen. Er ist so nah an der Mastspitze, dass er trotz des Lärms von der Brücke das Flehen des Mannes hören kann. Nestor schlingt die Beine um das Seil und rührt sich nicht mehr.
    »¡Te suplico! ¡Te suplico!« »Ich flehe dich an! Du kannst mich nicht zurückschicken! Sie foltern mich so lange, bis ich alle verrate! Sie zerstören meine Familie! Hab Erbarmen! Da sind Kubaner auf der Brücke! Ich flehe dich an! Einer mehr, ist das eine so unerträgliche Last? Bitte, ich flehe dich an! Du weißt nicht, wie das ist! Du zerstörst nicht nur mich, du zerstörst die ganze Bewegung! Ich flehe dich an, gebt mir Asyl! Ich will nur eine Chance!«
    Nestors Spanisch reichte aus, um ungefähr zu verstehen, was er sagte, aber ihm fielen keine Worte ein, die den Mann hätten beruhigen und dazu bewegen können herunterzukommen. »Glaubhafte Gefährdung« … Genau, das ist es! Er würde ihm von der »glaubhaften Gefährdung« erzählen … Ein Flüchtling wie er bekam eine Anhörung von der Küstenwache, gleich hier auf dem Deck des Schoners, und wenn er ihnen glaubhaft machen konnte, dass er in Gefahr schwebte, dann würde er Asyl erhalten.

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