Back to Blood
ein jugendlicher Straftäter. Haben Sie ein Problem damit?«
Natürlich — hah! — hatte John Smith nicht »ungehörig« oder auch nur etwas annähernd Ähnliches gesagt. Er drückte es schonender, sorgfältig verklausulierter aus … aber an diesem mörderisch heißen Tag waren John Smiths gute Manieren Nestor ein Ärgernis … seine Manieren und noch jede Menge anderer Dinge. Im klimatisierten Kokon des Assent rollten sie langsam auf das Gebäude zu, in dem Igor letzte Nacht verschwunden war. In dem schamlosen Sonnenlicht sah die Anlage sogar noch übler aus als im Dunkeln. Die rissige, kahle Erde rund um die Mauern war sicher einmal mit saftig grünen Büschen bepflanzt gewesen. An den Rändern des Parkplatzes sah man hier und da eine Palme … oder zwei … dann eine Lücke … dann drei … eine Lücke … dann wieder eine einsame Palme … schiefe Zähne in einem lückenhaften Gebiss. Die Palmen waren schlaff und glanzlos … mit braunrot gefleckten Blättern. Die kleinen Eisenbalkone und die Aluminiumrahmen der Schiebetüren an der Gebäudefassade sahen aus, als wollten sie jeden Augenblick abfallen.
John Smith zeigte nach vorn und sagte, »Da … Igors Vulcan ist weg.«
So weit, so gut. Bevor sie ihm gegenübertraten, mussten sie noch mehr über ihn erfahren … zum Beispiel, was er gestern Nacht hier gemacht hatte … und was er alles ins Haus geschleppt hatte. John Smith wendete am Ende der Wagenreihe und stellte seinen Assent im abgelegensten, dem für die Besucher vorgesehenen Teil des Parkplatzes ab.
Als sie ausstiegen, wurde Nestor richtig sauer. Er zog das Jackett an und band sich die Krawatte um, die John Smith ihm aufgezwungen hatte. Wie er schon vorher gewusst hatte, war ihm das Jackett zu klein. Obendrein hatte John Smith darauf bestanden, dass Nestor ein 25 Zentimeter langes, 9 Zentimeter breites und 4 Zentimeter dickes Dosimeter — ein Gerät zur Messung von Geräuschen — in der Innentasche seines Jacketts bei sich trug. Wenn jemand fragen sollte, was sie hier zu suchen hätten, dann würde Nestor das Dosimeter aus der Tasche ziehen und John Smith erklären, sie müssten den Geräuschpegel messen. Ein zu enger Anzug, der auf einer Seite von einem etwa 900 Kubikzentimeter großen Apparat ausgebeult wurde — klasse. Noch bevor er den ersten Schritt tat, spürte er schon den Schweiß an der Innenseite seines Hemdkragens … und den Schweiß, der sein Jackett aufweichte und große dunkle Halbmonde unter seinen Achseln bildete. Der Anzug, die Krawatte, seine schwarzen ledernen Polizeischuhe … er sah aus wie ein richtiger guajiro … John Smith hingegen trug einen hellgrauen Anzug, der ihm perfekt passte, ein weißes Hemd, eine marineblaue Krawatte mit einem spießigen, akkuraten Muster und schwarze Lederschuhe, die so schlank und schmal waren, dass er damit zum Tanzen hätte gehen können. Er benahm sich, als störte ihn das alles nicht im Geringsten … dieser verdammte WASP … Und dann musste er auch noch darauf herumreiten: »Nestor … Sie sehen fantastisch aus! Wenn Sie wüssten, wie gut Ihnen Anzüge stehen, Sie würden nie mehr was anderes tragen!«
Noch nie hatte Nestor den WASP in derart heiterer Stimmung erlebt. Er zeigte ihm den Mittelfinger. Aber John Smith war derart guter Stimmung, dass er sich darüber gar nicht mehr einkriegen konnte vor Lachen.
Der Himmel war der blassblaue Reflektor eines Heizstrahlers. Nestor war noch keine dreißig Meter gegangen, da floss der Schweiß schon in Strömen. Es war so still auf dem Parkplatz, dass er ihre Schritte auf dem Asphalt hören konnte. Noch waren praktisch alle Mieterparkplätze belegt. In diesem Augenblick bog ein kleiner kastenförmiger Bus, heiser keuchend, mit schleifender Kupplung und ausgeleierten Kolben, von der Straße in den Parkplatz ein. Die weit ausladenden Kotflügel sahen aus wie die Flügel eines fliegenden Pelikans. Nicht weit von Nestor und John Smith hielt er an. Über die gesamte Länge des Dachs war ein etwa dreißig Zentimeter hohes Schild montiert, auf dem stand: SHOP ’N’ BROWSE BUY BUS! Es schien sich um einen Shuttle-Service zu handeln, der die Bewohner der Seniorenresidenzen und der Heime für Betreutes Wohnen zu Einkaufszentren und wieder zurück karrte. Der Fahrer stieg aus. Was für eine Sonnenbräune! — ein spindeldürrer junger Anglo, dessen Fell aussah, als wäre es gerade aus der Gerberei gekommen! Er eilte auf die andere Seite … um den, ihren Stimmen nach zu urteilen, alten Damen aus dem
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