Back to Blood
nach oben fuhren. Als sie im zweiten Stock auf die Galerie traten … empfing sie ein lautes, unangenehm mechanisches Geräusch. Am anderen Ende des Gangs reinigte ein braunhäutiger Mann, wahrscheinlich der Hausmeister, mit einem Industriestaubsauger den Betonboden. Von unten drang das klickend klackernde Geschepper von ein paar Alu-Gehhilfen nach oben. Aus den nächstgelegenen Apartments Geplärre aus zu laut aufgedrehten Fernsehern … aber kein Mieter in diesem Stock war draußen in der Mittagssonne. John Smith ging langsam am ersten Apartment vorbei, Nestor folgte ihm mit dem »Schall-Audiometrie-Anzeiger« in der Hand … ::::::Was bin ich eigentlich — sein Lakai?:::::: In irgendeinem Apartment war der Fernseher so laut aufgedreht, dass man jedes Wort verstehen konnte … »Aber er ist seit fünf Jahren mein Gastroenterologe!«, sagt die unverkennbare Seifenoperstimme einer jungen Frau. »Und jetzt verliebt er sich in sie? — während sie ihre Backen spreizt für eine Koloskopie? Oh, Männer « — ab jetzt wird jedes Wort von schwerem Schluchzen geschüttelt — »Männer — Männer — Mähäähäähner — die führen unter der Gü-hü-hü-ürtelli-hi-hi-nie ein vollkommen anderes Leben!« Auf dem Galerieboden neben der Eingangstür stand ein gusseiserner Frosch, der hellgrün lackiert war. Er war nur etwa dreißig Zentimeter hoch, aber genauso breit und sogar noch ein bisschen tiefer … sodass er kolossal schwer aussah. Links und rechts der Tür befand sich ein kleines Fenster. John Smith und Nestor wollten auf gar keinen Fall neugierig erscheinen, also schauten sie nicht hinein. Das nächste Apartment sah genauso aus, außer dass hier in voller Lautstärke eine Comedy mit der ärgerlichsten Lachkonserve dröhnte, die Nestor je gehört hatte … und neben der Tür ein sechzig Zentimeter großer gusseiserner Höhlenmensch mit den Armen und Schultern eines Gorillas stand. Er sah schwerer aus als der Frosch. Im nächsten Apartment … Grundgütiger! … was lief denn da? — der Discovery Channel? — brüllte eine ganze Herde Löwen, mehr als einer jedenfalls, wie nannte man das noch mal? — ein »Rudel?« Wahrscheinlich bis zum Anschlag aufgedreht. In diesem Backsteinhaufen von Seniorenresidenz, eingekeilt zwischen dem Lärm des Industriestaubsaugers und der Löwen, fühlte sich Nestor wie paralysiert … Neben dieser Tür stand ein Topf mit roten Geranien, einem wahren Meer aus Geranien … die sich als Plastikblumen herausstellten.
John Smith musste sich ganz nah zu Nestor vorbeugen, da mit der ihn verstand. »Achten Sie auf diese … Dinger, die neben den Türen stehen, egal was es ist« — er zeigte auf den Blumentopf — »auf irgendwas, das nach ›Künstler‹ aussieht, okay?«
Nestor nickte. Er hatte inzwischen von Johns Smiths Anweisungen die Schnauze voll. Was glaubte er, was er auf einmal war, der große Detective?
Sie überprüften zwei weitere Apartments. Das Gleiche … John Smith beugte sich wieder zu Nestor vor und sagte, »Hab noch nie so laut aufgedrehte Fernseher gehört. Was sind die — taub?«
»Herrgott, die bewegen sich mit Alugestellen vorwärts«, sagte Nestor. »Wenn die nicht taub sind, wer dann?« Er sagte das todernst. Er spürte, dass John Smith keine Ahnung hatte, was der Grund für den tadelnden Unterton in seiner Stimme war. Weshalb Nestor sich sofort schuldig fühlte.
Es war so laut auf der Galerie, dass Nestor und John Smith die zwei Gestalten, die sich ihnen von hinten näherten, erst bemerkten, als sie ihnen fast auf die Fersen traten … zwei alte Damen. Die eine war winzig. Ihr Rücken war so weit über das Gehgestell gebeugt, dass ihre Augen sich ungefähr auf Höhe von Nestors Brustkorb befanden … sie waren so wässrig, dass ihr dauernd Tränen die Backe hinunterliefen. Die Reste ihrer dünnen Haare waren blond gefärbt und zu kleinen Gespinsten auftoupiert, die volles Haar simulieren sollten. Trotzdem konnte Nestor die Haut ihres Schädels sehen. Sofort empfand er Mitleid und den perversen Wunsch, sie zu beschützen. Die andere alte Dame stand, auf einen Stock gestützt, aufrecht vor ihnen. Ihr weißes Haar war so schütter, dass die eine Seite ihres Kopfes fast kahl aussah. Aber sie hatte sich jede Menge Extrapfunde bewahrt, hatte ein rundes Gesicht … und war nicht schüchtern.
Sie machte einen Schritt auf John Smith zu und sagte, »Kann ich Ihnen behilflich sein? Suchen Sie was?«
Die Art, wie sie sprach, flößte Respekt ein. John Smith nannte
Weitere Kostenlose Bücher