Back to Blood
erwarten.
»Was meinen Sie mit ›unseren Sendungen‹?«
»Unsere Serie«, sagte die Blondine. »Sie heißt Masters of Disaster. Hat man Sie nicht informiert? Vielleicht haben Sie sie schon mal gesehen.«
»Nein, ich habe sie noch nicht gesehen«, sagte Sergej. »Und nein, ich habe auch noch nie davon gehört. Und nein, man hat mich auch nicht informiert. Ich dachte, Mr. Flebetnikow hätte mich zu einer Party eingeladen. Was ist dieses Masters of Disaster? «
»Eine Realityshow. Es überrascht mich, dass Sie noch nie davon gehört haben. Unsere Einschaltquoten sind ziemlich hoch. Alle sind ganz verrückt nach Stars, aber noch verrückter sind sie nach Stars, die fallen, abstürzen, verglühen. Die Deutschen haben ein schönes Wort dafür, Schadenfreude .«
»Dann ist Flebetnikow also abgestürzt und verglüht?«, sagte Sergej.
»Soviel ich weiß, ist er ein russischer Oligarch mit einem riesigen Hedgefonds. Dann ist bei einem Deal irgendwas schiefgelaufen, alle haben ihr Geld abgezogen, und jetzt ist das Desaster komplett.«
»Oh ja, ich glaube, ich kenne ihn«, sagte Magdalena zu Sergej. »Aus der Warteschlange, am Eröffnungstag der Miami Basel. Ein großer Mann. Er hat sich dauernd vorgedrängelt.«
»Ja, da habe ich ihn auch gesehen.« Sergej kicherte. »Und jetzt ist er also ein Master of Disaster …« Er wandte sich wieder an die Blondine. »Warum sind diese Masters of Disaster so scharf darauf, sich in Ihrer Show demütigen zu lassen?«
»Tja, schätze, sie denken sich, dass sowieso schon jeder weiß, wie es um sie steht, also versuchen sie ihr Comeback zu starten, indem sie aller Welt zeigen, seht her, ich hab mir eine blutige Nase geholt, aber ich stehe noch.« Diesmal war ihr Lächeln verschlagen. »Entweder das … oder wegen der Vergütung, die wir ihnen für die Rechte an der Show zahlen.«
»Und wie hoch ist die?«
Mit dem gleichen wissenden Lächeln sagte die Blondine, »Unterschiedlich, ganz unterschiedlich. Eins kann ich Ihnen allerdings verraten: Diese Masters of Disaster lösen den Scheck immer ein.«
Sergej schaute Magdalena mit weit offenen Augen — was bei ihm hieß, sehr weit — und dem Hauch eines Lächelns an … ein Gesichtsausdruck, der ihr sagte, »Das dürfen wir uns nicht entgehen lassen. Was meinst du?«
Mit einem breiten Lächeln im Gesicht nickte Magdalena. Sie unterschrieben beide die Verzichtserklärung. Die Blondine schaute auf die Unterschriften und sagte, »Oh, Mr. Koroljow, jetzt weiß ich, wer Sie sind! Erst neulich haben ein paar Leute von Ihnen gesprochen! Das Koroljow Museum of Art — ich kann nicht glauben, dass ich jetzt mit Ihnen rede. Es ist mir eine Ehre . Sie sind Russe, wie Mr. Flebetnikow. Habe ich recht? Sie wollen sich sicher auf Russisch mit ihm unterhalten. Das funktioniert großartig mit Untertiteln. Bei Jean-Baptiste Lamarcks Sendung mit Y ves Gaultier haben wir das auch gemacht. Beides Franzosen.« Bei der Erinnerung an dieses Highlight in der Geschichte der Realityshow leuchtete ihr Gesicht auf. »Die Produzenten, der Regisseur und der Autor — die werden alle begeistert sein, Sie begrüßen zu dürfen.«
Zum ersten Mal meldete sich Magdalena zu Wort. »Der Autor?«, sagte sie.
»Nun, ja … Natürlich ist alles real, der Autor schreibt keine Texte oder so für unsere Gäste … aber man braucht jemanden, der der Sendung … eine gewisse Struktur vorgibt. Sie verstehen? Da laufen sechzig oder siebzig Leute herum, denen muss man etwas an die Hand geben, woran sie sich orientieren können.«
Jetzt lächelte Sergej wissend, als er Magdalena anschaute. Er nickte zu dem großen Haus. Ein weitläufiges Anwesen im Spanish Colonial Revival Style der Zwanzigerjahre.
Der Eingang war mit zwei schwarzen Türstehern im Smoking besetzt. Sergej und Magdalena betraten eine riesige altmodische Halle, die man in den herrschaftlichen Häusern früherer Zeiten Eingangsgalerie nannte. ¡Dios mío! Es wimmelte von fröhlichen Partygästen meist mittleren Alters. Was für ein Gejohle und Gebrüll! Die Hälfte der Männer war schwer damit beschäftigt, sich bis zum Anschlag volllaufen zu lassen, zumindest kam Magdalena das so vor. Aus den Lautsprechern drang die neue Sync-’n’-Slip-Musik.
Direkt vor ihnen tauchte aus dem Nichts ein Anglo auf, ein kleiner Mann, der eine zu große guayabera trug, die ihm fast bis zu den Knien reichte. Er grinste über das ganze Gesicht und flötete, »Mr. Koroljow! Miss Otero! Willkommen! Savannah hat mir gerade Bescheid
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