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Back to Blood

Back to Blood

Titel: Back to Blood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolfe
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ist die große Glasvitrine mit den Glühbirnen, die die Ablagen voller Brote, Muffins, Kuchen und anderer süßer Dinge beleuchten. Die kleinen runden Tische mit den altmodischen Bugholzstühlen sind noch da — frei, jetzt um Viertel nach sechs morgens. Okay, wenn Magdalena kommt, werden sie sich an diesen Tisch setzen … Und vor allem, das köstliche Aroma der pastelitos! So sieht es im Himmel aus! Vor der Theke stehen vier Männer und warten auf ihre Bestellungen — Bauarbeiter, würde Nestor tippen. Zwei haben Schutzhelme auf dem Kopf, und alle vier tragen T-Shirts, Jeans und Arbeitsstiefel. Sie warten … aber von Cristy oder Nicky keine Spur —
    — als irgendwo hinter der Theke ein Koloraturschrei ertönt: »Nestor!«
    Er kann sie noch nicht sehen, weil die Theke so hoch ist, aber die Stimme, die sich da zu den höheren Registern aufschwingt, ist unverwechselbar. Mein Gott! — welche Freude der Klang dieser Stimme in Nestor auslöst! Erst begreift er nicht recht, warum. Sie hat während dieser ganzen Zeit zu ihm gehalten, hat ihn wie ihn selbst behandelt und nicht wie irgendein Steinchen in einem politischen Spiel. Alles richtig, sicher, aber mach dir nichts vor, Nestor! Du willst sie, oder? So schnuckelig, so lebendig, so nett auf ihre einfache Art, was für eine gringa unter all den anderen gringas mit ihrem sich kringelnden gringa -Haar, was für eine liebliche, vielversprechende Muschi, meine göttliche gringa -Muschi, meine Cristy!
    »Cristy!«, flötet er. »Mí gringa enamorada!«
    Allein der Gedanke erregt ihn! Er drängelt sich durch die vier Bauarbeiter zur Theke, als wären sie Luft, und flötet ihr eine glückselige, sehr laute Begrüßungsarie entgegen — achtet aber gleichzeitig auf einen scherzhaften Tonfall: »Cristy, mein Ein und Alles! Du hast ja keine Ahnung, wie sehr du mir die ganze Zeit gefehlt hast?!«
    Jetzt kann er die oberen ihrer gringa -Locken und ihre schelmischen Augen sehen — auch sie kennt das Spiel — »Mí querido pobrecito«, sagt sie in neckischem Tonfall, »ich hab dir gefehlt? Na sicher, du wusstest ja auch nicht, wo du mich finden kannst, stimmt’s? Ich steh ja hier nur jeden Tag ab halb sechs hinter der Theke.«
    Sie ist zwei Schritte vor der Theke — und ihren wartenden Bauarbeitergästen — stehen geblieben, hält in ihrer linken Hand ein Tablett mit zwei Bestellungen pastelitos und Kaffee und wirft ihm einen Blick zu, aus dem ihn — wenn nicht Liebe, so doch etwas sehr Ähnliches anlacht. Nestor beugt sich so weit vor, dass sein Oberkörper praktisch auf der Theke liegt und er sie mit seiner rechten Hand fast berühren kann. Ohne die Bauarbeiter auch nur eines Blickes zu würdigen, schiebt sie das Tablett auf die Theke, nimmt Nestors ausgestreckte Hand in ihre beiden Hände, drückt sie verspielt und lässt sie wieder los. Sie hat nur Augen für ihn.
    »Ach ja, mía gringa «, sagte Nestor. »Tut mir leid, das Präsidium ist schuld, dass ich kaum noch in die Gegend komme.«
    »Ja, ich hab’s gehört, die Leute erzählen so einiges.«
    »Das glaube ich gern. Aber was erzählen sie?«, fragte Nestor.
    Eine tiefe Stimme: »Sie erzählen, dass du aufhören sollst, die Kleine zu begrapschen, damit sie uns endlich unser verdammtes Essen bringen kann.«
    Das war einer der Bauarbeiter, an denen Nestor sich gerade vorbeigedrängt hatte … ohne auch nur por favor zu sagen. Der Koloss war gut zehn Zentimeter größer als Nestor und Gott weiß wie viele Kilos schwerer … ein americano -Bauarbeiter von Kopf bis Fuß — Schutzhelm, schweißnasse Stirn, dichter Schnurrbart plus Achttagebart, was seinen verschwitzten Wangen einen Grizzly-Look verlieh, weißes T-Shirt voller fleischbrühefarbener Schweißflecken über einem massigen Bauch, der die Bezeichnung »Ringerwampe« verdiente, zwei schwabbelige, aber dicke Arme, davon einer mit einem sogenannten Halbarm-Tattoo, das einen riesigen, von Krähen umschwirrten Adler zeigte und sich um seine Bizepse und Tri zepse schlang, graue Drillichmalocherhose mit dem Gorilla- Logo, braune abgewetzte Stiefel mit Stahlkappen und Sohlen so dick wie Roastbeefscheiben —
    Dank Cristy war Nestor derart guter Stimmung, dass er zu gern über den Witz des Kolosses gelacht hätte — für den er ja schließlich allen Grund hatte — und es dann dabei belassen … wenn da nicht dieses eine Wort gewesen wäre: begrapschen. Besonders aus dem Malochermund eines Schranks wie diesem hatte begrapschen eine sexuelle Note. Nestor durchforstete

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