Back to Blood
sein Gehirn nach einem Grund, warum sogar so etwas in Ordnung gehen könnte. Er suchte und suchte, aber es ging nicht in Ordnung. Es war eine Beleidigung … eine Beleidigung, auf die er auf der Stelle erbarmunglos reagieren musste. Außerdem war es respektlos gegenüber Cristy. Wie jeder Polizist auf Streife wusste, durfte man da nicht zögern. Großmäulern musste man umgehend das Maul stopfen.
Er trat einen Schritt von der Theke zurück, sah den americano mit einem freundlichen Lächeln an, einem Lächeln, das man durchaus als ein schwaches Lächeln interpretieren konnte, und sagte, »Wir sind alte Freunde, Cristy und ich, und wir haben uns lange nicht mehr gesehen.« Dann lächelte er noch breiter, bis seine Oberlippe sich schürzte und die obere Zahnreihe entblößte … und lächelte immer weiter, bis ihn seine langen Canini — das heißt die Eckzähne — wie einen grinsenden Hund aussehen ließen, der drauf und dran war, Menschenfleisch zu reißen, und fügte schließlich hinzu, »Irgendein Problem damit?«
Die beiden Männer starrten sich scheinbar eine Ewigkeit lang an … Triceratops und Allosaurus standen sich lauernd am Rand einer Klippe gegenüber, die über den Halusian Gulp hinausragte … bis der americano die Augen abwandte und so tat, als schaute er auf seine Uhr. Der Rest war scheinheiliger Small Talk … zur Gesichtswahrung.
Plötzlich schaute Cristy mit vielsagendem, aber nicht ge rade glücklichem Gesichtsausdruck an Nestor vorbei zu einem Punkt hinter ihm. »Du hast Besuch, Nestor.«
Nestor drehte sich um. Es war Magdalena. Er wäre nie auf die Idee gekommen, dass Cristy von ihm und Magdalena wusste. Magdalena war schlicht und sittsam gekleidet. Jeans, maskulin wirkende Bluse, langärmelig, weit, hellblau, zugeknöpfte Manschetten, fast hochgeschlossen. Einfach, zweckmäßig. Ihr Gesicht — was war mit ihrem Gesicht los? Es verschwand fast ganz hinter einer großen dunklen Sonnenbrille. Trotzdem sah sie … blass aus. »Blass« war das Äußerste, was seine analytischen Fähigkeiten hergaben. Männern fällt das Make-up eines Mädchens erst dann auf, wenn es fehlt, und selbst dann haben sie keine Ahnung, was da fehlt. Die Magdalena, die er kannte, hatte ihre Augenhöhlen immer in einen dunklen, schattigen Hintergrund verwandelt, vor dem ihre großen leuchtend braunen Augen besonders gut zur Geltung kamen. Auf den Wangenknochen hatte sie immer Rouge aufgelegt. Nestor gingen derart weltmännische Kenntnisse völlig ab. Sie sah blass aus, das war alles, blass und ausgezehrt — war das das Wort? Jedenfalls war sie nicht sie selbst. Schlicht, sittsam, simpel, empfindsam — auch das passte nicht. Er ging zu ihr und schaute in — besser, auf — ein Paar undurchdringlich dunkle Brillengläser. Er sah sein eigenes trübes, kleines Spiegelbild — und nichts von ihr.
»Tja, du bist es tatsächlich, oder?« Er sagte das freundlich, aber ohne Gefühl.
»Nestor«, sagte sie. »Es ist wirklich nett von dir, dass du da-ha-ha-s für mich tu-hu-hu-st.« Das das und das tust wurden von ihrem Schluchzen verzerrt.
Was sollte er jetzt tun? Sie tröstend in die Arme nehmen? Weiß Gott, was das für einen Tränenausbruch zur Folge hätte. Außerdem wollte er sie vor den Augen Cristys nicht umarmen. Die Hand schütteln? Nachdem sie drei Jahre lang Seite an Seite gelegen hatten, kam ein hölzerner Händedruck überhaupt nicht infrage. Also sagte er einfach, »Tja … warum setzen wir uns nicht?«
Er führte sie zu dem kleinen runden Tisch, der von der Theke am weitesten entfernt war. Sie setzten sich auf die alten Bugholzstühle. Mit jeder Sekunde wurde ihm unwohler. Sie sah so umwerfend aus wie eh und je. Eine Beobachtung, die allerdings keinerlei Gefühle hervorrief. »Was möchtest du? Kaffee? Ein pastelito? « Das war alles, was ihm einfiel.
»Nur einen café cubano .«
Sie schob den Stuhl zurück, als wollte sie selbst zur Theke gehen, aber Nestor stand auf und bedeutete ihr mit einer Geste, dass sie sitzen bleiben solle. »Ich hole ihn«, sagte er. »Du bist eingeladen.« Die Wahrheit war, dass er gehen wollte, dass er gar nicht schnell genug vom Tisch flüchten konnte. Er genierte sich. Sie war so wunderschön! Nicht, dass er von Lust überwältigt wurde, es war Ehrfurcht. Er hatte es ganz vergessen. Sie zog immer alle Blicke auf sich. Er warf einen schnellen Blick zur Theke … und richtig, alle schauten … die vier Bauarbeiter, Cristy, sogar Ricky … Ricky höchstpersönlich war zum Gaffen
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