Back to Blood
unter dem Gewicht des Hinfälligen zitterte. Er schleppte sich humpelnd vorwärts, als wäre sein Bein verletzt … polter — er machte einen Schritt, wobei er das ganze Gewicht auf sein »gesundes« Bein verlagerte und der klapprige Holzboden des Durchgangs ächzte und quietschte … dann das leichtere Rumms des »verletzten« Beins, das behutsam … »unter Schmerzen« … versuchte zu folgen … Was für ein unverschämter Simulant GEDULD doch war!
Yeya kreischte, »Camilito — um Himmels willen — was ist nur mit dir passiert?!«
Sofort eilte sie zu ihm und stützte den anderen Arm ihres Camilito. Sie steckte ihm beide Unterarme unter die Achsel und versuchte ihn anzuheben.
»Es ist alles in Ordnung, Mami«, sagte er. »Das ist nicht nötig. Ich bin okay.« Wie tapfer er klang! Wie stoisch!, dachte Nestor. Tatsächlich war es sicher nicht sehr angenehm für ihn, dass sie ihm ihre beiden Handballen in die Achselhöhle drückte.
»Camilito, mein Camilito! So ein schwerer Sturz! Oh, mein Gott!«
»Es ist nichts.« Ich-Camilos neue weiche, belegte Stimme. »Nur eine kleine Meinungsverschiedenheit … zwischen Vater und Sohn.« Und dann schaute er Nestor wieder mit seinem bohrenden, ironischen, augenzwinkernden, zähnefletschenden Blick an, den er nur kurz ablegte, um ihr noch einmal zu sagen, »Nur … eine … kleine … Meinungsverschiedenheit … zwischen … Vater … und … Sohn.«
Jetzt durchbohrten alle vier Nestor mit ihren Blicken. Yeya war inzwischen hysterisch geworden.
»Was hast du deinem Vater angetan?! Deinem eigenen Vater! Reicht dir das nicht, was du gestern diesem armen Jungen angetan hast? Jetzt musst du auch noch auf deinen Vater losgehen?!«
Nestor war fassungslos … er brachte kein Wort heraus … stand einfach mit offenem Mund da. Seine Mutter schaute ihn an, wie sie ihn in ihrem ganzen Leben noch nicht angeschaut hatte! Sogar Mami!
Als er seine Stimme wiederfand, war er fast genauso hysterisch wie Yeya. »Sag ihr die Wahrheit, Dad! Sag ihr, was wirklich passiert ist! Du — du — verdrehst alles . In Gottes Namen, sag die Wahrheit! Dad, du — du —«
Er tat sich keinen Gefallen damit, dass er genau in diesem Augenblick verstummte, sich umdrehte und ihnen den Rücken zuwandte, in sein Zimmer rannte, den Autoschlüssel holte — und dann zur Haustür stürzte, ohne sie noch einmal anzuschauen.
Bumm — er schlug hinter sich die Haustür der La Casita de Camacho zu.
3
Der kühne schwache Mann
Kaum zwei Stunden später erschien in der Lokalredaktion des Miami Herald ein Edward T. Topping IV , den noch nie jemand zuvor gesehen hatte. Normalerweise verlief in der Mitte seiner Stirn, von den Augenbrauen bis zur Nase, eine senkrechte Furche … die Furche im Fleisch eines Mannes, der sich den Kopf darüber zerbrach, wie viele der Leute, die von seiner Redaktion noch übrig waren, etwas gegen ihn hatten. Aber an diesem Morgen lag ein Grinsen auf seinem Gesicht … ein breites Grinsen, das seine Augenbrauen so weit wie irgend möglich nach oben schob … seine Augen weit aufriss … seine Wangen wie die eines Weihnachtsmannes weit über beide Wangenknochen hinauf rosig erglühen ließ. Die Furche war verschwunden. Die Augen funkelten.
»Schauen Sie sich das an, Stan! Schauen Sie sich das an, schauen Sie sich das genau an! Wissen Sie, was Sie da sehen?«
Er stand in der Mitte seines Büros, das sich zum Redaktionsraum hin öffnete. Er stand, er saß nicht wie sonst halb verschanzt in seinem Kokon aus Industriedesign-Drehstuhl und nierenförmigem Industriedesign-Schreibtisch. Nicht nur das, er stand auch mit dem Rücken zu der Wand aus Glas, die ihm als Chefredakteur DIE AUSSICHT bot … auf alles, was glamourös war an Miami …. die Königspalmen, das Mandarin Oriental Hotel, die Königspalmen, Brickell Avenue, die Königspalmen, Biscayne Bay, Brickell Key, Key Biscayne, die Venetian Islands, Indian Creek, Star Island, Miami Beach und jenseits davon den grandiosen Parabolbogen des Atlantischen Ozeans, 180 Grad sonnengebleichter hellblauer Tropenhimmel, und die Königspalmen. Nein, in diesem Augenblick hatte er nur Augen für die heutige Ausgabe des Herald , deren Titelseite er vor seiner Brust hielt wie jemand, der ein Gemälde zur Schau stellte, in voller Größe, von oben bis unten.
»Das ist es! Sie werfen einen Blick auf echten Journalismus! Echten Journalismus, Stan!«
Stan, das war Stanley Friedman, ein knochendürrer Mann in den Vierzigern, eins achtzig groß mit
Weitere Kostenlose Bücher