Backstage
Kälte.
Sehr schnell war Schluss. Sein Schwanz war geschrumpft, die Frau nahm den Mann in den Arm, schien ihn zu trösten. Tamara hatte genug, wich zurück, tiefer in den Wald, dann kehrte sie in weitem Bogen zu ihrem Auto zurück.
Sie rief Paula an.
«Teichert hat ein Verhältnis.»
ACHTZEHN
Schon wieder eine Klinik. Eine Privatklinik in Dahlem, nicht weit entfernt von der im Grunewald, in der Lilli Braun die letzte Nacht ihres Lebens verbracht hatte.
Dahlem erkannte man an der besseren Luft, trotz Innenstadtnähe, an der Ruhe, wie immer die sich innerhalb der prächtigen Anwesen ausdrückte, und an der auffallend hohen Zahl der Polizeiautos, die in den fußgängerfreien, baumbestandenen Straßen die Ruhe behüteten.
Zwei Kerle wie aus einem der üblichen Filme standen an der Pforte des Grundstücks. Das Haus glich einem Barockschloss, soweit Melissa sich mit Schlössern und Baustilen auskannte, das Thema Schloss stand zu ihrer Schulzeit als etwas dem Abriss Geweihtes auf dem Stundenplan.
Sie trug keine Papiere mit sich, hatte die Brieftasche im Büro liegen lassen, und die Männer nahmen ihren Job genau.
Also rief sie Braun an, landete wieder bei dem Mann mit der Bass-Stimme. Warten. Wie hatten sie nur ohne Telefon gelebt, damals, als man noch Auftritte ausmachte, indem man durch die DDR fuhr, um persönlich mit den Veranstaltern zu sprechen.
Es dauerte eine Viertelstunde, bis sie endlich in Brauns Zimmertür stand.
Er wirkte wie seine eigene Zweitbesetzung, ein Tom fürs private, unfotografierte Leben - Lillis Tod hatte die Fassade aufgebrochen, wie nicht mal der Vollsuff es vermochte, selbst nach Panitz' Tod war Braun ihr nicht so verwundet, ja schutzlos, erschienen.
Braun schickte den Mann mit der tiefen Stimme aus dem Zimmer, der zögerte, dann aber ging, als Melissa sich vor ihm zu voller Körpergröße aufschraubte, er reichte ihr eben bis zum Kinn.
Ihre Tages-Geduld war durch die Warterei wieder gegen Null gesunken, das spürte der Kleine, wie sie ihn genüsslich bei sich nannte.
Trotzdem: Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich.
Melissa sprach Braun ihr Beileid aus zum Tod seiner Frau.
«Ich weiß nicht, was schlimmer ist. Die Frage quält mich, ob sie im Grunde sterben wollte. Ob sie es war, die Panitz ...? Mein Gott, sie hat damals die Kleine verbluten lassen. Lilli! All die Jahre hat sie mich belogen. Ich dachte, das Mädchen ist an dem Autocrash gestorben.»
«Warte, Tom, warte. Sag mir nichts. Du bereust das später, wenn du mir hier ohne Not 'ne Beichte ablegst.»
«Ich muss darüber reden, mich konfrontieren, sagt der Psychologe.»
«Ja, mach das, aber doch mit ihm.»
Melissa war hin- und hergerissen. Sympathie für Tom, mehr als Sorge um den Klienten. Andererseits erfuhr sie etwas Neues, half seine Beichte vielleicht, das Puzzle zusammenzusetzen, herauszufinden, wer Panitz getötet hatte.
Und schon redete Tom weiter: «Ich hab es Panitz gebeichtet, ihn bezahlt, immer mehr, als ich musste, wie eine Wiedergutmachung an einem anderen, na ja, ein anderer würde es Schweigegeld nennen. Und ich dachte, Lilli hält trotzdem zu mir, trotz der Fahrerflucht, dabei war sie dort. Dieser Psychologe sagt, ich soll, was war das?, bei mir bleiben, meine Seite der Geschichte bearbeiten, nicht über Lillis Anteil nachdenken. Aber ich kann die Fragen doch nicht wegdrücken. Sie soll Panitz erstochen haben. Das fass ich nicht. Setz dich doch, Melissa. Du bist die Einzige, mit der ich reden, ich meine, zu der ich offen sein kann.»
Wenn das keine der üblichen Schmeicheleien war, dann stand es wirklich schlecht um ihn. Melissa ließ sich in den Besuchersessel fallen, sah sich in dem pastellfarbenen Raum um, der den Komfort eines Hotelzimmers hatte, aber mit Vorrichtungen eines Krankenhausraums, wie Anschluss für Sauerstoff, einer Klingel und einem schmalen Bett auf Rollen.
Braun saß auf dem Bettrand. Er trug einen Morgenmantel aus Seide, mit chinesischen Schriftzeichen bedruckt.
Der Fernseher lief ohne Ton, MTV, europäische Hitparaden. Musikkanal, Videoclips, Bild statt Musik. Toms Single lag in Deutschland auf Platz eins.
«Ich frag mich, ob Lilli sterben wollte. Warum ging sie in den See, schwimmen war nie ihre Stärke. Ich wollte mich nicht scheiden lassen, Lilli hat mich am Telefon falsch verstanden.» Wirklich? Aber Melissa ließ das Wort unausgesprochen. «Und diese Schwangerschaft, das kann gar nicht von mir gewesen sein, so selten, wie wir zusammen waren.»
«Da reicht einmal, weißt
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