Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
würde es mir bei jeder entscheidenden Gruppierung immense Vorteile einbringen. Er hieß Tim. Den Namen musste ich mir unbedingt merken.
    Dans Punktestand war schrittweise geklettert, aber das Gesamtprofil immer noch grottenschlecht. Er hatte einige ziemlich dubiose Punkte eingeheimst. Neugierig verfolgte ich diesen Trend bis zum Zeitpunkt meiner Ermordung zurück: Debras Anhänger hatten Dan großzügig Anerkennung dafür gezollt, dass er meinen Leichnam mit kühlem Kopf aufgelesen, vom Tatort weggeschafft und damit die Quelle des Aufruhrs so schnell beseitigt hatte, dass ihre wunderbare Piratenshow kaum gestört worden war.
    Ich verlor mich in abstrusen Gedankengängen und versank dabei in der Art von Tagträumerei, die mich am Riff von Playa Coral den Hals gekostet hatte. Als ich unversehens aus diesem Zustand aufschreckte, merkte ich, dass die drei anderen meinen überlaufenden Zwischenspeicher höflich ignorierten. Ich hätte mein Kurzzeitgedächtnis zurückspulen und durchsuchen können, um an das frühere Gespräch anzuknüpfen, aber das hätte meinen Aussetzer nur weiter in die Länge gezogen. Scheiß drauf. »Und, wie läuft’s drüben in der Halle der Präsidenten?«, fragte ich Tim.

    Lil warf mir einen warnenden Blick zu. Sie hatte die Halle der Präsidenten an Debras Ad-hocs abgetreten, um vor dem allmächtigen Woppel nicht als kindische Egoistin dazustehen. Nun musste sie den Anschein einer gutwilligen Kooperation aufrechterhalten – was darauf hinauslief, dass sie eine offene Konfrontation mit Debra vermeiden und auf eine Gelegenheit warten musste, deren Arbeit unter einem Vorwand niederzumachen.
    Tim bedachte uns mit dem milden Lächeln, mit dem er mich auch begrüßt hatte. Auf seinem glatten, spitz zulaufenden Gesicht wirkte es geradezu unwiderstehlich. »Ich glaube, wir leisten ganz gute Arbeit. Debra hatte schon damals, bevor sie nach China gegangen ist, ein Auge auf die Halle geworfen. Wir ersetzen das ganze Ding durch Breitband-Uplinks zu Montagen, mit denen wir das Leben der einzelnen Präsidenten dokumentieren, darunter Zeitungsschlagzeilen, Reden, Kurzbiografien, persönliche Unterlagen. Es wird so sein, als könnte man jeden Präsidenten in sich spüren, runtergeladen in ein paar Sekunden. Wir werden die Präsidenten per Instant-Download in die Köpfe der Besucher katapultieren – jedenfalls drückt’s Debra so aus!« Seine Augen funkelten im Halbdunkel.
    Da ich gerade erst meinen eigenen zerebralen Instant-Download erlebt hatte, brachte Tims
Schilderung eine Saite in mir zum Klingen. Meine Persönlichkeit schien in meinem Kopf ein wenig in den Scharnieren zu quietschen, so als wäre sie unzureichend verschraubt. Der Gedanke, sich nebenbei noch die biografischen Montagen von über fünfzig Präsidenten ins Hirn zu stopfen, hatte unter diesen Umständen einen abartigen Reiz.
    »Mann«, sagte ich. »Das hört sich ja wild an. Was habt ihr euch für die äußere Gestaltung überlegt?« Im jetzigen Zustand strahlte die Halle der Präsidenten die stille patriotische Würde aus, die man in längst vergangenen Zeiten bei Hunderten öffentlicher Gebäude in den USA hatte finden können – Zeugnis einer versunkenen Welt. Wer daran herumpfuschte, hätte auch gleich das Sternenbanner neu gestalten können.
    »Damit habe ich nicht viel zu tun«, erklärte Tim. »Ich bin Programmierer. Aber ich könnte einen der Designer bitten, euch einige Pläne zukommen zu lassen, wenn ihr möchtet.«
    »Das wäre nett«, erwiderte Lil und fasste mich am Ellbogen. »Aber jetzt sollten wir uns wohl besser auf den Heimweg machen.« Während sie mich wegzuziehen versuchte, griff Dan nach meinem anderen Ellbogen. Im Rücken der beiden strahlte gespenstisches Licht durch die Dämmerung: Die illuminierte Liberty Belle ähnelte einer riesigen Hochzeitstorte.
    »Das ist wirklich schade«, sagte Tim. »Meine
Ad-hocs ziehen in der neuen Halle gerade eine Nachtschicht durch. Sie würden sich bestimmt freuen, wenn ihr mal vorbeischaut.«
    Die Idee setzte sich in meinem Kopf fest. Vielleicht sollte ich mich wirklich ins Lager meiner Feinde begeben und mich mit ihnen ans Lagerfeuer setzen, damit sie mir ihre Geheimnisse offenbarten. »Das wäre toll!«, erwiderte ich ein wenig zu laut. In meinem Kopf summte es leise. Lils Hand ließ los.
    »Aber wir müssen morgen früh raus«, wandte Lil ein. »Deine Schicht beginnt um acht. Und ich muss zum Einkaufen in die Stadt.« Sie log natürlich, gab mir damit aber zu verstehen, dass

Weitere Kostenlose Bücher