Backup - Roman
jede Menge drahtloser Tastaturen, Zeigegeräte und Handschuhe lagen herum. Das Ding machte den Eindruck eines Prototyps.
»Das ist er – unser Uplink. Bisher läuft darauf nur eine Demo-Anwendung: Lincolns alte Rede, zusammen mit der Bürgerkriegsmontage. Du musst dich nur als Gast einloggen, dann lade ich dir das Programm in den Speicher. Ist echt irre.«
Ich startete mein Headmount-Display und schaltete auf Gastzugang. Als Tim mit dem Finger auf das Terminal deutete, flutete die Essenz von Lincolns Persönlichkeit durch mein Gehirn: jede Nuance seiner Sprechweise, die minutiös recherchierten Eigenarten seiner Bewegungen, seine Warzen, sein Bart, sein Überzieher. Ich hatte fast das Gefühl, mich selbst für einen Moment in Lincoln zu verwandeln, aber das ging schnell vorbei. Länger blieb der penetrante Kupfergestank des Geschützfeuers und das Aroma von Kautabak auf meiner Zunge haften.
Während ich nach hinten stolperte, wirbelten in meinem Kopf die vielfältigen, detaillierten Sinneseindrücke herum, die mir das Instant-Download vermittelt hatte. Mir war sofort klar,
dass Debras Halle der Präsidenten ein Renner sein würde.
Auch Dan loggte sich kurz in den Uplink ein. Tim und ich konnten beobachten, wie sein skeptischer Gesichtsausdruck purem Vergnügen wich. Tim sah mich erwartungsvoll an.
»Hervorragend«, sagte ich, »wirklich hervorragend. Es geht einem wirklich an die Nieren.«
Tim errötete. »Danke! Die Gestaltprogrammierung ist von mir – meine Spezialität.«
Hinter ihm meldete sich Debra zu Wort – sie war herangeschlendert, während Dan auf seinen Kurztrip ging. »Mir ist die Idee in Beijing gekommen, wo ich oft gestorben bin. Es hat etwas Wunderbares, wenn man Erinnerungen so implantieren kann, als hätte das Gehirn diese Erfahrungen tatsächlich gemacht. Ich mag diese künstlich erzeugte Plastizität.«
Tim rümpfte die Nase. »Daran ist doch gar nichts Künstliches.« Er wandte sich mir zu. »Es ist ein angenehmes und gleichzeitig anrührendes Erlebnis, stimmt’s?«
Ich ahnte eine tief brodelnde Kontroverse und legte mir gerade meine Antwort zurecht, als Debra sagte: »Tim versucht ständig, die ganze Sache etwas impressionistischer zu gestalten und weniger computergeneriert erscheinen zu lassen. Er liegt natürlich falsch. Wir wollen ja nicht das Erlebnis simulieren, das die alte Show den Zuschauern
bot – wir wollen weit darüber hinausgehen .«
Tim nickte widerwillig. »Darüber hinausgehen, sicher. Aber das schaffen wir nur, wenn wir dem ganzen Erlebnis menschliche Züge verleihen. Die Besucher sollen für kurze Zeit buchstäblich in die Haut des Präsidenten schlüpfen. Das A und O ist die Identifikation. Wer hätte schon etwas davon, wenn wir ihm nur ein paar trockene Fakten per Instant-Download ins Gehirn einspeisen würden? «
Vier
Der Abend in der Halle der Präsidenten hatte mich von drei Dingen überzeugt:
1. dass Debras Kumpanen mich hatten umbringen lassen und ihre Alibis getürkt waren;
2. dass sie mich zu gegebener Zeit erneut umbringen würden, um sich das Spukhaus unter den Nagel zu reißen;
3. dass wir das Spukhaus nur würden retten können, wenn wir ihnen zuvorkamen: Wir mussten sie an einer empfindlichen Stelle treffen, wo es wirklich wehtat.
Wie die Spinnen hatten sie Dan und mich in der Halle der Präsidenten acht Stunden lang mit ihrem präzise gewobenen Netz umgarnt. Vermutlich hatten die Schwierigkeiten, die sie in Beijing durchgestanden hatten, Debras Leute erst dahin
gebracht, dass sie so mühelos Hand in Hand arbeiteten. Debra ging von Team zu Team, machte per Wort oder Körpersprache Vorschläge, und wenn sie weiterzog, hinterließ sie jedes Mal emsige schöpferische Aktivität.
Es war diese Präzision, die mich von Punkt Eins überzeugte. Eine derart eng geknüpfte Ad-hoc-kratie konnte alles erreichen, wenn sie sich auf ihre Ziele konzentrierte. Ad-hoc-kratie? Nein, dafür gab es eine treffendere Bezeichnung: Sie stellten eine Armee dar.
Punkt Zwei kam mir in den Sinn, als ich mir eine Kostprobe der Lincoln-Montage zu Gemüte führte, die Tim um drei Uhr früh nach eingehender Beratung mit Debra fertigstellte. Eine Attraktion der höchsten Klasse zeichnet sich dadurch aus, dass sie beim zweiten Mal, wenn die Details und Schnörkel ins Bewusstsein vordringen, noch beeindruckender wirkt. Das Spukhaus steckte voller kleiner Gimmicks und listiger Anspielungen, die einem erst nach unzähligen Fahrten auffielen.
Tim scharrte nervös mit den Füßen
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