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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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sie einen Besuch für keinen guten Schachzug hielt. Doch ich ließ mich nicht davon abbringen.
    »Schicht um acht? Kein Problem – ich werde pünktlich da sein. Ich geh morgen früh im Contemporary duschen und fahr mit der Einschienenbahn so rechtzeitig zurück, dass ich mich noch umziehen kann. In Ordnung?«
    Diesmal versuchte es Dan. »Aber Jules, wir wollten doch zusammen essen gehen, weißt du das etwa nicht mehr? Ich hab in Aschenputtels Königstafel extra einen Tisch für uns reservieren lassen.«
    »Ach, wir können doch jederzeit essen gehen«, sagte ich. »Aber so was wird einem nicht jeden Tag geboten.«

    »Kann schon sein.« Dan gab auf. »Was dagegen, wenn ich mitkomme?«
    Er und Lil wechselten vielsagende Blicke, die meinem Eindruck nach so viel bedeuteten wie: Wenn er schon solchen Blödsinn verzapft, sollte besser jemand von uns dabei sein. Aber es war mir inzwischen ziemlich egal – ich wollte mich in die Höhle des Löwen wagen.
    Tim bekam von all dem offenbar nichts mit. »Dann sind wir uns ja einig! Gehen wir.«
     
    Auf dem Weg zur Halle der Präsidenten wählte Dan ständig meine Hörschnecke an, doch ich stellte ihn immer wieder an die Mailbox durch. Die ganze Zeit über plauderte ich munter mit ihm und Tim. Ich war fest entschlossen, mein Fiasko im Spukhaus wettzumachen, indem ich Tim für mich einnahm.
    Debras Mitarbeiter saßen in Lehnstühlen auf der Bühne herum. Die Animatronik-Präsidenten befanden sich, ordentlich aufgestapelt, in den Seitenflügeln. Debra lümmelte sich in Lincolns Stuhl, den Kopf faul in den Nacken gelegt, die Beine weit von sich gestreckt. Der gewohnte Hallengeruch nach Ozon und Putzmitteln war jetzt von Maschinenöl und Schweiß überlagert – typischen Ausdünstungen von Ad-hoc-kraten, die eine Nachtschicht einlegen. Entwicklung und Einrichtung der Halle hatten fünfzehn Jahre
beansprucht, die Abrissarbeiten nur ein paar Tage.
    Debra war au naturel , hatte immer noch das Gesicht, mit dem sie zur Welt gekommen war, auch wenn man es nach ihren Toden dutzende Male erneuert hatte. Es war ein langes, wächsernes, aristokratisches Gesicht mit einer Nase, die dafür geschaffen schien, über andere zu rümpfen. Zwar war Debra mindestens so alt wie ich, vom Äußeren her aber erst zweiundzwanzig. Ich glaube, sie bevorzugte dieses Alter, weil es ihr unerschöpfliche Energiereserven versprach.
    Sie geruhte nicht aufzustehen, als ich näher kam, nickte mir aber immerhin lässig zu. Die anderen Ad-hoc-kraten hockten in kleinen Gruppen zusammen und beugten sich über ihre Terminals. Sie alle hatten die tiefen Augenringe und von Schlafmangel ausgezehrten Gesichter von Fanatikern, sogar Debra, die es irgendwie fertigbrachte, gleichzeitig träge und voller Schwung zu wirken.
    Hast du mich umbringen lassen? , dachte ich und starrte Debra an. Schließlich war sie selbst dutzende, wenn nicht hunderte Male umgebracht worden. Vielleicht war es für sie keine große Sache.
    »Na du«, sagte ich leichthin. »Tim hat angeboten, uns ein bisschen rumzuführen. Du kennst doch Dan, oder?«

    Debra nickte ihm zu. »Aber sicher. Dan und ich sind dicke Freunde, stimmt’s?«
    In Dans Pokerface zuckte kein Muskel. »Hallo, Debra«, sagte er. Er hatte mit ihren Leuten viel herumgehangen, seit Lil ihn über die Gefahren für das Spukhaus unterrichtet hatte, und versucht, dabei etwas für uns Nützliches aufzuschnappen. Natürlich wussten sie, was er vorhatte, aber Dan war ein ziemlich charmanter Bursche und konnte arbeiten wie ein Muli, deshalb tolerierten sie ihn. Doch indem er mich begleitete, hatte er offenbar eine Grenze überschritten. Es war so, als geriete die höfliche Scharade, bei der man so tat, als zählte er eher zu Debras als zu Lils Leuten, durch meine Anwesenheit ein wenig durcheinander.
    »Kann ich ihnen das Demo zeigen, Debra?«, fragte Tim.
    Debra hob eine Augenbraue. »Klar, warum nicht? Es wird euch gefallen, Leute.«
    Tim führte uns eilig hinter die Bühne, wo Lil und ich immer über der Animatronik geschwitzt und die Gefühle des Publikums manipuliert hatten. Alles war rausgerissen, verpackt und aufgestapelt. Sie hatten keine Zeit verschwendet und binnen einer Woche eine Show demontiert, die mehr als ein Jahrhundert gelaufen war. Die Leinwand, auf die wir bisher die vorproduzierten Teile der Show projiziert hatten, lag auf dem
Boden, mit Fußabdrücken, Dreck und Öl beschmiert.
    Tim führte uns zu einem halb montierten Backup-Terminal. Das Gehäuse war entfernt worden und

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