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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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und platzte fast vor kaum verborgenem Stolz, als ich auf den öffentlichen Zugang umschaltete. Er kopierte die Anwendung in mein öffentliches Verzeichnis und ich rief sie unverzüglich auf.
    Meine Güte! Gott, Lincoln, Kanonenfeuer, Reden, Pflüge, Maultiere und schwere Überzieher!
Die Eindrücke überschwemmten mich regelrecht, durchlöcherten mich, prallten gegen die Innenseite meines Schädels und wieder zurück. Beim ersten Durchgang hatte ich ein Gefühl von Ordnung, von erzählerischem Zusammenhang gehabt, aber das hier war eine echte Gestaltprogrammierung – alle Eindrücke zu einem einzigen nahtlosen Ganzen zusammengefügt, das überschwappte und mich ausfüllte. Einen Moment lang geriet ich in Panik, als die Essenz von Lincolns Dasein meine eigene Persönlichkeit zu verdrängen drohte, doch in dem Moment, als sie mich überwältigen wollte, wich sie zurück und ließ einen derartigen Pegel von Adrenalin und Endorphinen zurück, dass ich kaum noch an mich halten konnte.
    »Tim«, keuchte ich. »Tim! Das war …« Mir fehlten die Worte. Ich hätte ihn am liebsten umarmt. Was könnten wir damit aus dem Spukhaus machen! Was für eine elegante Technik! Eine direkte Vermittlung der Erlebnisse, ohne Umweg über dumme blinde Augen und dicke taube Ohren.
    Tim strahlte und sonnte sich in dem Lob, während Debra erhaben von ihrem Thron herunter nickte. »Hat’s dir gefallen?«, fragte er. Ich nickte und stakste zu dem Theaterstuhl hinüber, wo Dan mit zurückgesunkenem Kopf schlief und leise vor sich hin schnarchte.
    Nach und nach kam ich wieder zur Vernunft
und wurde wütend. Wie konnten sie es wagen? Dieses wundervolle Zusammenspiel von Technik und Aufwand, das Disneys Fahrgeschäfte stets verkörpert hatten – Attraktionen, die die Welt mehr als ein Jahrhundert lang unterhalten hatten – würde sich in einem Kopf-an-Kopf-Rennen niemals gegen das behaupten können, woran Debras Leute gerade arbeiteten.
    Ich ballte die Hände im Schoß zu Fäusten. Warum, zum Teufel, konnten sie so was nicht anderswo machen? Warum mussten sie alles, was ich liebte, zerstören, um etwas Derartiges zu realisieren? Sie hätten diese Technik auch anderswo entwickeln können. Sie hätten sie sogar online vertreiben und den Leuten einen Zugriff vom Wohnzimmer aus ermöglichen können!
    Aber das reichte ihnen natürlich nicht. Wenn sie es hier machten, half es dem alten Woppel am besten auf die Sprünge – auf diese Weise würden sie ganz Disney World für sich gewinnen und auf Dauer besetzt halten. Ein einziges Ad-hoc, das an einem Ort, wo vorher dreihundert Ad-hocs floriert hatten, einen Park von der doppelten Größe Manhattans managte.
    Ich stand auf und stakste aus dem Theater, hinaus zum Liberty Square und in den Park. Es hatte sich inzwischen abgekühlt, war aber immer noch feucht, so feucht, dass mir die kalte Nässe über den Rücken kroch und mir den Atem nahm.
Nachdenklich wandte ich mich der Halle der Präsidenten zu, die so ruhig und gesetzt dastand wie schon in meiner Kindheit und davor. Ein Denkmal. Den Imagineuren gewidmet, die der Bitchun Society vorgegriffen und sie inspiriert hatten.
    Ich rief Dan an, der immer noch hinten im Theater schnarchte, und weckte ihn auf. Er grunzte mir etwas Unverständliches in die Hörschnecke.
    »Sie waren es – sie haben mich umgebracht!« Jetzt wusste ich es und war froh darüber. Was ich als Nächstes zu tun hatte, würde mir dadurch leichter fallen.
    »Mein Gott, sie haben dich nicht umgebracht – sie haben dir sogar ihre Backups angeboten, oder hast du das schon vergessen? Sie sind’s auf keinen Fall gewesen.«
    »Blödsinn!«, rief ich in die leere Nacht. »Blödsinn! Sie sind’s gewesen und haben an ihren Backups irgendwie rumgepfuscht. Es kann gar nicht anders sein. Es passt einfach zu perfekt zusammen. Wie hätten sie mit der Halle sonst so schnell vorankommen können? Sie wussten, was bevorstand, sie haben gezielt eingegriffen und die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Du willst mir doch wohl nicht erzählen, dass sie diese Pläne einfach so herumliegen hatten und die Halle nur übernommen haben, weil sich zufällig die Möglichkeit dazu bot.«

    Dan stöhnte und ich hörte seine Gelenke knacken. Offenbar hatte er sich gestreckt. Der Park ringsum war von den Geräuschen der Wartungsmannschaften erfüllt, die durch die Nacht hasteten. »Doch, das glaube ich schon. Du aber offenbar nicht. Ist ja nicht das erste Mal, dass wir unterschiedlicher Meinung sind. Und was

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