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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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vorbei. Die Pistole konnte nur einen einzigen Schuss abfeuern. Ich hatte sie vor über einem Jahrzehnt, als die Dinger kurzzeitig in Mode gekommen waren, einem böswilligen Gast abgenommen.
    »Lass sie bloß nicht los«, sagte ich, denn ich wollte auf keinen Fall ein derart verräterisches Beweisstück zurücklassen. Auf dem Bauch kroch ich zur nächsten Wartungsluke in der Nähe des Parkplatzes weiter, wo ich für Dan und mich zwei identische Garnituren Wäsche zum Umziehen verstaut hatte.
     
    Wir waren gerade rechtzeitig zurück, um die Demonstration nicht zu verpassen. Debras Ad-hocs hatten sich rings um das Zwischengeschoss in der Halle der Präsidenten aufgebaut, während
sich sorgfältig selektierte Ensemblemitglieder anderer Ad-hocs – lauter Leute mit Einfluss – in der Vorhalle zusammendrängten.
    Als Dan und ich hereinkamen, spannte Tim gerade eine Samtschnur vor den Eingang. Er lächelte freundlich und schüttelte mir die Hand, und ich erwiderte das Lächeln herzlich, da ich ja wusste, dass er mit wehenden Fahnen untergehen würde. Ich fand Lil und fasste sie an der Hand, als wir ins Auditorium schritten, in dem es wie im Innern eines neuen Autos nach Teppichreiniger und neuer Elektronik roch.
    Wir nahmen unsere Plätze ein. Während Debra, die einen Lincoln-Mantel und ein Ofenrohr von einem Hut trug, eine kurze Rede hielt, schlenkerte ich nervös, fast zwanghaft, mit den Beinen. Über der Bühne war eine Art Sendemast errichtet worden, der es ermöglichte, das Programm in einem simultanen Schub auf uns alle herunterzuladen.
    Nachdem Debra zum Ende gekommen und unter höflichem Applaus von der Bühne gegangen war, begannen sie mit der Demonstration.
    Nichts geschah. Ich versuchte nicht allzu dreckig zu grinsen, als sich nichts tat. Kein Ton in meiner Hörschnecke, der auf eine neue Datei in meinem öffentlichen Verzeichnis hingewiesen hätte, keine Flut neuer Sinneseindrücke, nichts. Ich wandte mich Lil zu, um irgendeine schnoddrige
Bemerkung loszulassen, aber ihre Augen waren geschlossen, ihr Mund stand offen und ihr Atem kam in kurzen Stößen. Alle anderen Ensemblemitglieder in unserer Reihe waren ebenso in tiefe, alles andere ausschließende Konzentration versunken. Ich rief auf meinem Headmount ein Diagnosefenster auf.
    Nichts. Keine Fehlerdiagnose. Nichts auf dem Headmount. Ich machte einen Kaltstart.
    Wieder nichts.
    Ich war offline.
     
    Offline verließ ich die Halle der Präsidenten. Offline nahm ich Lil an der Hand und ging mit ihr zur Ladezone an der Liberty Belle, wohin wir uns gewöhnlich für vertrauliche Unterhaltungen zurückzogen. Offline schnorrte ich eine Zigarette von ihr.
    Lil war bestürzt – das erkannte ich sogar mit meinem benommenen Offline-Gehirn. In ihren Augen glänzten Tränen.
    »Warum hast du mir nichts davon gesagt?«, fragte sie, nachdem sie einen Moment ins Mondlicht gestarrt hatte, das vom Fluss reflektiert wurde.
    »Wovon?«, murmelte ich.
    »Dass Debra und ihre Leute wirklich gut sind. Mehr als gut. Sie sind besser als wir. Mein Gott.«
    Offline hatte ich keinen Zugriff auf Statistiken
oder Anzeigen, die mir geholfen hätten, diese Sache zu erörtern. Offline war ich ganz auf mich gestellt. »Da bin ich anderer Meinung. Ich finde das, was sie machen, völlig seelenlos. Sie haben keine Ahnung von Geschichte, keine Verbindung zur Vergangenheit. Die Welt ist mit Disneys Schöpfungen groß geworden – man kommt nicht nur zur Unterhaltung her, sondern auch der historischen Kontinuität wegen. Darum kümmern wir uns.« Ich war offline und die anderen nicht – was, zum Teufel, war da passiert?
    »Mach dir keine Sorgen, Lil. Wir sind das Beste, was es in diesem Park gibt. Es gibt Anderes und Neues, aber nichts Besseres. Das weißt du doch – du hast mehr Zeit im Spukhaus verbracht als sonst jemand, und du weißt, wie viel Raffinesse und Arbeit in diesem Haus stecken. Wie kommst du auf die Idee, dass irgendetwas, das Debra und ihre Leute in ein paar Wochen zusammengeschustert haben, besser sein könnte als etwas, das wir seit vielen Jahren betreiben?«
    Sie wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und lächelte. »Tut mir leid.« Ihre Nase war gerötet, ihre Augen waren verquollen und die Sommersprossen hoben sich deutlich von den geröteten Wangen ab. »Entschuldigung – es war nur so schockierend. Vielleicht hast du recht. Und selbst wenn nicht – darum geht’s doch in einer Leistungsgesellschaft, nicht? Das Beste setzt sich
durch, alles andere wird verdrängt.

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