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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Oberflächlichkeit ihrer Tochter standen.
    Das Woppel der beiden war in schwindelerregende Höhen geschossen, überstieg jedes vernünftige Maß, jeden Nutzen. In einer Welt, in der sogar ein Verlierer mit einem Woppel-Stand von null ohne größere Probleme essen, schlafen, reisen und aufs Netz zugreifen konnte, waren sie derart mit Reichtum gesegnet, dass sie sich auch die wenigen wirklich knappen Dinge, die es auf der Welt noch gab, im Übermaß leisten konnten.
    Das Gespräch wandte sich dem ersten Tag zu, als sie und ihre Kumpanen mit Schneidbrennern die Drehkreuze geknackt hatten und mit selbst gebastelten Kostümen und Namensschildern in den Park ausgeschwärmt waren. Sie waren in die Geschäfte, die Steuerzentralen und die Fahrgeschäfte eingedrungen, erst zu Hunderten, später, als der heiße Julitag sich dem Ende zuneigte, zu Tausenden. Die Lakeien der Anteilseigner – sie arbeiteten im Park, um an seinem Zauber teilhaben zu können, hatten jedoch keinen Einfluss auf die Entscheidungen des Managements – hatten nur symbolischen Widerstand geleistet. Bis Tagesende schlossen sich die meisten den Eindringlingen an, rückten die Sicherheitscodes raus und legten sich tüchtig ins Zeug.
    »Allerdings war uns klar, dass die Anteilseigner
nicht so leicht aufgeben würden«, sagte Lils Mutter und nippte an ihrer Limonade. »In den nächsten zwei Wochen öffneten wir den Park rund um die Uhr und gaben den Anteilseignern keine Gelegenheit, gegen uns vorzugehen, sofern sie es nicht vor den Augen der Gäste tun wollten. Wir hatten vorher mit einigen Ad-hoc-Luftlinien vereinbart, dass sie zusätzliche Flüge nach Orlando bereitstellen würden, und die Gäste strömten herbei.« Sie lächelte, als sie sich daran erinnerte. Wenn ihre Gesichtszüge entspannt waren, sah sie Lil zum Verwechseln ähnlich. Nur wenn sie redete, bekam sie ein anderes Gesicht: Die Muskeln verzerrten es zu einem Ausdruck, der Jahrzehnte älter wirkte als das Gesicht, das ihn formte.
    »Ich habe die meiste Zeit am Souvenirstand bei Madame Leotas Laden vor dem Spukhaus gearbeitet und mit den Gästen freundlich geplaudert, während ich mit den Anteilseignern, die mich wegzudrängen versuchten, kleine Gehässigkeiten austauschte. Ich übernachtete in einem Schlafsack auf dem Boden des Tunnels, gemeinsam mit ein paar Dutzend anderen, die sich in Dreistundenschichten abwechselten. Dabei hab ich auch diesen Mistkerl kennengelernt.« Sie klopfte ihrem Mann auf die Schulter. »Er hatte versehentlich den falschen Schlafsack erwischt und wollte sich nicht vom Fleck rühren, als ich mich schlafen legen wollte. Also bin ich einfach
zu ihm reingekrochen, und der Rest, wie man so schön sagt, ist Geschichte.«
    Lil verdrehte die Augen und machte Geräusche, als würde sie gewürgt. »Meine Güte, Rita, bitte erspar uns die Details.«
    Tom tätschelte ihren Arm. »Lil, du bist doch erwachsen. Wenn du nicht hören willst, wie deine Eltern miteinander angebandelt haben, kannst du dich entweder anderswo hinsetzen oder grinsen und es ertragen. Aber du hast nicht das Recht, uns vorzuschreiben, worüber wir uns unterhalten dürfen.«
    Lil warf uns Erwachsenen einen sehr jugendlichen finsteren Blick zu und stolzierte davon. Angesichts von Lils davon wackelndem Hinterteil schüttelte Rita den Kopf. »Es steckt nicht viel Feuer in dieser Generation«, bemerkte sie. »Nicht viel Leidenschaft. Es ist unsere Schuld. Wir dachten, Disney World sei der beste Ort, um ein Kind in der Bitchun Society aufzuziehen. Vielleicht hatten wir recht, aber …« Sie verstummte und strich sich mit den Handflächen über die Oberschenkel, eine Geste, die ich später auch oft bei Lil sehen sollte. »Ich fürchte, es gibt für die jungen Menschen heutzutage nicht mehr genug Herausforderungen. Sie sind viel zu kooperativ.« Sie lachte. Ihr Mann griff nach ihrer Hand.
    »Wir hören uns schon an wie unsere Eltern«, sagte Tom. » Ja, ja, als wir aufwuchsen, gab’s dieses
neumodische Lebensverlängerungszeug noch nicht – wir haben’s mit den Höhlenbären und Dinosauriern aufgenommen! « Tom hatte sich ein etwas älteres Aussehen zugelegt und wirkte wie um die fünfzig. Die ergrauenden Schläfen und knittrigen Lachfalten verliehen ihm eine natürliche Autorität, die bei den Parkbesuchern gut ankam. Es war eine Binsenweisheit unter den Ad-hocs der ersten Generation, dass weibliche Ensemblemitglieder möglichst jung und Männer älter aussehen sollten. »Offenbar sind wir beide unverbesserliche

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