Bacons Finsternis: Roman (German Edition)
sehr seltsam. Sehr hart – ein richtiges Tier. Ich glaube, es war ihm vollkommen egal, ob er mit einem Mann oder einer Frau schlief.«
Bei einem Aufenthalt Bacons in Marokko um 1957 machte sich der britische Generalkonsul in Tanger, Bryce Nairn, Sorgen, weil »die Polizei Francis häufig in den frühen Morgenstunden zusammengeschlagen in einer Straße in Tanger auffand«, wie David Herbert berichtete. Herbert war ein Sohn des Earl of Pembroke; sein Haus in Tanger war Treffpunkt der britischen Gemeinde in Marokko. Ian Fleming verpasste ihm den Spitznamen Queen Mum . »Bryce beschwerte sich beim Polizeichef«, so Herbert weiter, »und bat darum, mehr Polizisten in den dunkleren Gassen der Stadt patrouillieren zu lassen. Einige Wochen vergingen; die Schlägereien gingen weiter. Dann wandte sich der Polizeichef an Bryce und sagte: Es tut mir leid, Herr Generalkonsul, aber da kann man nichts machen. Herrn Bacon gefällt das .«
Bacons Tag zerfiel in drei Teile: Morgens malte er, unabhängig davon, wie wild die vergangene Nacht verlaufen war. Mittags speiste er mit Mitgliedern der feineren Gesellschaft, mit Kritikern, Galeristen und Kollegen. Am frühen Nachmittag startete er, meist ausgehend von Muriel Belchers Colony Room , die große Tour durch Londons Pubszene, oft mit zwielichtigen Gestalten im Schlepptau. Bevor Bacon mit seiner Rundreise durch die Unterwelt begann, pflegte er sich mit Scheuerpulver die Zähne zu putzen, die Wangen mit Rouge zu schminken und die Haare mit Schuhcreme zu färben. Manchmal warf er sich in teure Anzüge, meistens jedoch in seine berühmte schwarze Lederjacke. In jedem Fall trug er unter der Hose schwarze Netzstrümpfe. »Der Nietzsche des Football-Teams« – so stellte er sich den idealen Liebhaber vor. »Ich mag kleine Jungen«, sagte Burroughs, »und Bacon mag alternde LKW-Fahrer.«
Die Zeit schien in Bacons Gesicht keine Spuren zu hinterlassen. Wie bei Dorian Gray zeigten sich die Anzeichen des Verfalls nur in seinen Bildern. »Hier sind wir«, sagte er, »existieren eine Sekunde lang und werden dann weggewischt wie Fliegen von der Wand.« Wer mit ihm beim Trinken mithalten wollte, musste meist bald nach Hause getragen werden. Wer nicht trank, hatte keine Chance, in den inneren Zirkel aufgenommen zu werden. »Cheerio!«, das war ein Befehl. »Champagne to my real friends, real pain to my sham friends!«
In den Casinos von Tanger, Paris, London und Monte Carlo verspielte er ein Vermögen. Der Moment, in dem die Roulettekugel zu rollen begann, elektrisierte ihn. Zufall und Risiko. Menschen, die von einer Sekunde auf die andere ihre Existenz verloren. Autounfälle fand er schön. Boxkämpfe. Schlachthäuser. 1954 nahm er an der Biennale von Venedig teil, gemeinsam mit Ben Nicholson und Lucian Freud. Große Retrospektiven folgten. Tate Gallery 1962; Guggenheim Museum, New York, 1963; Grand Palais, Paris, 1971. Bei der Ausstellung in der Rue des Beaux-Arts 1977 musste die Pariser Polizei die Massen in Schach halten. Tokio 1983. 1985 die zweite große Retrospektive in der Tate – eine Ehre, die nur den Allerwenigsten zuteil wurde. Moskau 1988.
Auf dem Höhepunkt seines Ruhms wurde er auf einem Empfang von einer hochangesehenen Persönlichkeit nicht erkannt und gefragt, was er denn so mache. »Ach«, sagte Bacon, »ich bin nur eine alte Tunte.«
»Sind Sie überrascht über Ihren Erfolg?«, fragte ihn Melvyn Bragg 1985. »Sehr«, sagte Bacon. »Ich hatte einfach Glück.«
Gegen Ende seines Lebens sollte er von der Queen mit einem der höchsten Orden ausgezeichnet werden, dem Order of Merit . Man schickte ihm einen würdevollen Adeligen, um herauszufinden, ob er ihn annehmen würde.
»Nein, Schätzchen«, sagte er. »Geben Sie ihn irgendjemand anderem. Es gibt so viele, die er glücklicher machen würde als mich.«
R.B.Kitaj nannte ihn »The General of Hot Desire.« Für Margaret Thatcher war er »der furchtbare Mann, der diese scheußlichen Bilder malt«. Er wählte sie trotzdem. Seine Freunde beschämte er mit seiner Großzügigkeit. Er hasste es, jemandem etwas schuldig zu sein. Kollegen fürchteten die Unerbittlichkeit seines Urteils. »Ich möchte nicht in Ihr Atelier kommen«, erklärte er einem jungen Maler, »ich habe Ihre Krawatte gesehen.«
Nach seinem Tod schenkte John Edwards, der alleinige Erbe, Bacons Atelier der Dubliner Hugh Lane Gallery. Ein einzigartiges Unternehmen begann. In 31 Jahren hatten sich auf dem Fußboden des Studios in der Reece Mews alte
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