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Bacons Finsternis: Roman (German Edition)

Bacons Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Bacons Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Steiner
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Steine verwandelt, in einen Sack gebunden und auf dem Grund des Teiches von Terra Nostra versenkt.«
    »Hier ist es nicht sehr tief«, sagte Isabel.
    »Tief genug«, sagte ich.
    Isabel lachte, kletterte aus dem Wasser und legte den Arm um mich.
    »War das alles?«, fragte sie.
    »Ja«, sagte ich. War gar nicht so wenig, fand ich.
    Isabel warf mir ein Handtuch über den Kopf und rieb meine Haare trocken.
    »Ich hatte eine Beichte befürchtet«, sagte sie.
    »War es ja auch«, sagte ich, ein wenig gekränkt.
    Ich legte Isabel das große Badetuch um die Schultern, sie wickelte sich darin ein und schlüpfte in trockene Unterwäsche. Das Tuch fiel auf den Boden, ich hob es hoch und hielt es gegen das Abendlicht. Das Eisen der Therme hatte auf dem Stoff einen braunen Abdruck hinterlassen.
    »Wie das Turiner Leichentuch«, sagte ich.
    »Ich liebe es, wenn du romantisch wirst«, sagte Isabel.
    Wir spazierten durch den Park, vorbei an Magnolien, Kamelienbäumen und Azaleen, die Isabel immer anfassen musste, weil sie ihr so gefielen. Wir kratzten Harz von den Rinden riesiger Sicheltannen, mästeten fette Goldfische mit den Resten unseres Picknicks, sahen Fledermäuse in Palmenwipfeln hängen und bespritzten uns mit dem Wasser der Teiche. Über den Seerosen und Wasserlilien schwirrten Libellen, an den Wegen wuchsen Farne, die uns weit überragten. Ich lief ein paar Schritte voraus, einen kleinen Hügel hoch, drehte mich um und breitete die Arme aus.
    »Sir Thomas Hickling«, sagte ich stolz.
    »Wer?«
    »Orangenhändler. Hat das alles hier angelegt. 1770.«
    »Immer musst du alles wissen«, sagte Isabel und warf eine Tomate nach mir.
     
    In den Caldeiras von Furnas kochte der Vulkan an die Oberfläche. Geysire schossen ihre Fontänen in den Himmel, aus den Fumarolen dampfte der Schwefel, Schlamm brodelte aus dem Boden. Wir standen auf einer Steinmauer in sicherer Distanz, Isabel hatte sich bei mir eingehängt und starrte in die blubbernden Erdlöcher, als könnte sie, wenn sie sich nur genügend konzentrierte, einen Blick in den Tartaros erhaschen.
    Eine Schwefelwolke kam auf uns zu. Ich versuchte Isabel meinen Arm zu entwinden, aber sie hielt ihn fest. Vielleicht hatte ihr ja Hades persönlich die Pforte in sein Schattenreich geöffnet. Eine Privataudienz für Isabel Valentin, Spezialistin für letzte Dinge.
    »Es wird langsam heiß«, sagte ich.
    »Pst«, machte Isabel. Es qualmte und zischte, eine große Blase platzte auf und spritzte uns siedenden Schlamm vor die Füße. Die Touristen neben uns ergriffen die Flucht.
    Möglicherweise war die Distanz doch nicht so sicher.
    »Wir sollten gehen«, sagte ich. Isabel rührte sich nicht.
    Erst als sich auf meinen Waden schon Brandblasen gebildet und die stinkenden Schwaden uns von Kopf bis Fuß eingehüllt hatten, erwachte Isabel aus ihrer Trance, und wir durften den Ort verlassen.
    Auf dem Rückweg zu unserem Leihwagen sahen wir einer alten Frau bei einer rätselhaften Beschäftigung zu. An einer mit Steinen markierten Stelle kniete sie auf dem Boden und zog an einem Seil. Schließlich hievte sie einen verrußten Gegenstand aus der Tiefe. Es war ein Kochtopf.
    Sie drehte sich zu uns um und grinste. »Cozido das Furnas«, sagte sie. »Hat der Vulkan gekocht.« Da ich meinen Blick nicht von dem Topf wenden konnte, fügte sie noch hinzu: »Heute bei Tony’s «, und zeigte in Richtung Ortszentrum.
     
    Tony’s Restaurant lag am Largo da Igreja; wir bekamen einen Tisch auf der Terrasse im zweiten Stock, bestellten Cozido aus den Magmakammern der Erde und Lajido von den Höhenlagen der Insel Pico.
    Das Tal von Furnas breitete sich vor uns aus; überall stieg Rauch von den Caldeiras auf.
    »Als würde alles brennen«, sagte Isabel.
    »Was hast du da unten eigentlich gesehen?«, fragte ich.
    »Nichts Besonderes«, sagte Isabel. »Hab nur so vor mich hin geträumt.«
    »Dann also auf Tolstoi«, sagte ich und hob mein Glas.
    »Was?«
    »Der Wein von Pico«, sagte ich, »wird schon in Krieg und Frieden gelobt.«
    »Streber!«, sagte Isabel und stieß lachend ihr Glas gegen meines, dass es klirrte.
    Was in dem Eintopf alles drin war, sahen wir erst, als er serviert wurde. Kartoffeln, Blutwurst, weißer und grüner Kohl, Rüben, Pfefferkörner, Körperteile von allerhand Getier, Rindern, Schweinen, Hühnern, Schafen und weiß der Teufel. Die Schweinsfüße musste ich alleine essen. Dünne Fläschchen von bernsteinfarbenem Lavawein, sechzehn Prozent, kamen und gingen. Nach dem Gelage sanken

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