BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
seines Pferdes, flankiert von Sardon und Gerome, die ebenfalls beritten waren.
Der Führer der New Orleans-Sippe hatte den General zwischenzeitlich »trockengelegt«, bis zum letzten Tropfen – aber nur den geringsten Teil von Grants Blut auch tatsächlich getrunken. Das war auch nicht nötig gewesen. Es hatte genügt, den Keim ins Aderwerk seines sterbenden Körpers zu säen, auf dass er im Tode erblühte und Ulysses Grant ein neues Leben bescherte.
Fortan würde nie wieder Alkohol den Geist des brillanten Taktikers benebeln. Und vielleicht würde das seiner weiteren Karriere in der Nordstaaten-Armee sogar dienlich sein – wer wusste das schon zu sagen?
Dennoch – das Zusammenziehen dieser gewaltigen Streitmacht war nicht mehr als der erste Schritt in Sardons Vergeltungsplan. Der weitaus schwierigere, anstrengendere Teil stand noch bevor.
Zu diesem Zwecke hatte Gerome die Angehörigen seiner Sippe hierher ans jenseitige Ufer des Old Man River beordert. Auf Sardons Nicken hin machten sie sich ans Werk – der Kelchjäger und das Oberhaupt eingeschlossen.
Sie schritten durch die Reihen der berittenen und Fußsoldaten und nahmen jeden einzelnen mit Blicken gefangen. In den Augen der Soldaten erlosch ein Funke – in denen der meisten jedenfalls. Es gab einige wenige, die sich immun zeigten gegen die hypnotischen Kräfte der Vampire. Sie hatten das Pech, dass ihnen eine »eingehendere Behandlung« zuteilwurde. Nie zuvor hatte die New Orleans-Sippe in einer einzigen Nacht so viel Blut fließen lassen...
Stunden vergingen, bis die Vampire ihr kräftezehrendes Werk vollbracht hat. Die Erschöpfung stand ihnen in die bleichen Gesichter geschrieben, als sie sich schließlich wieder vor den Reihen der Soldaten einfanden. Einen einzelnen Menschen in Bann zu schlagen kostete sie nicht mehr als ein mentales Fingerschnipsen. Bei Tausenden ging es an die Grenzen des Machbaren.
Sardon wandte sich an Ulysses Grant.
»Geben Sie die Befehle, General«, verlangte er.
Grant nickte und unterrichtete seine Unterführer über das Vorhaben. Die wiederum gaben die Anweisungen an die Truppen weiter. Schließlich hob Grant den Arm. Trompetensignale schmetterten durch die Nacht. Die Bewegung in den Reihen wurde heftiger, das dunkle Meer aus uniformierten Leibern floss auseinander. In alle Richtungen diesseits des Mississippis machten sich die Truppen auf den vorgegebenen Weg.
Die Vampire und ihre Dienerkreatur folgten den Soldaten, die auszogen, verlorene Seelen zu erlösen – in einer Nacht, in der nur der Tod regieren würde.
»
Die vergangenen Nächte...«, sagte Zefrem...
... in denen Agamemnon aus Angst und Sorge kaum geschlafen hatte, forderten ihren Tribut. Als er erwachte, war es
wieder
dunkel geworden.
Er war allein in der kleinen Kammer. Allein mit der Dunkelheit, in der er in den ersten Augenblicken nach dem Aufwachen glühende Augenpaare sah, die auf ihn herab starrten. Und obwohl kein Lichtstrahl hereinfiel, blitzten unter diesen Augen mörderische Hauer in aufgerissenen Mündern...
»Nein! Nein!«, rief Agamemnon. »Ihr seid nicht wirklich! Ich bin in Sicherheit!«
»Ja, das sind Sie.«
In der Wand füllte sich ein fast deckenhohes Rechteck mit flackerndem Licht, als die Tür geöffnet wurde. Dann verdunkelte ein Schatten den Schein. Agamemnon erkannte die Stimme von Kathy Shaugnessy. Sie trat an sein Bett heran.
»Sie müssen sich nicht fürchten«, sagte sie. »Niemand tut Ihnen hier etwas. Sie haben lange geschlafen. Wie fühlen Sie sich?«
Agamemnon nickte.
»Gut. Es geht mir gut. Danke, Missis...«, sagte der Schwarze mit belegter Stimme. Die Augenpaare und die Zähne verblassten nur langsam in der Dunkelheit des Zimmers.
»Nicht 'Missis'«, lächelte die Farmerin. »Einfach nur Kathy, ja?«
Agamemnon nickte nur. Er brachte es nicht fertig, eine Weiße mit ihrem Vornamen anzureden. Er musste noch eine Menge Dinge lernen, wenn er das Leben führen wollte, von dem er auf Resolute oft geträumt hatte...
»Kommen Sie«, sagte Kathy Shaugnessy. »Ich habe Ihnen etwas zu essen gemacht.«
Erst jetzt nahm Agamemnon die Düfte wahr, die durch die Tür in die Kammer wehten. Und fast augenblicklich erwachte unter der Bettdecke brummend ein Bär zum Leben. Er hatte seit über einem Tag nichts mehr gegessen, und das Wasser lief ihm des bloßen Geruchs wegen im Munde zusammen.
Der Küchentisch draußen stand voller Schüsseln, und sie schienen zu wetteifern mit den Düften, die ihnen entstiegen.
Weitere Kostenlose Bücher