Bad Fucking
habe ich das Geld nicht und zweitens steht dieser Betrag in keinem Verhältnis zu den Fotos. Ich dachte einfach, ich könnte dir auf diese Weise –. Ich weiß auch nicht.«
Veronika hatte davon geträumt, Opernsängerin zu werden, und jetzt saß sie mit einem pickelgesichtigen Burschen in Bad Fucking in einem Büro und verhandelte über Fotos, auf denen ein Pimmel zu sehen war, auf dem in großen Lettern ihr Name stand. Am liebsten wäre sie aufgestanden und weggelaufen. Aber das konnte sie nicht, weil sie heute einige Dinge klären musste. Und zwar ein für alle Mal.
»Gut, wenn du der Meinung bist, dass der von mir geforderte Betrag in keinem Verhältnis zu den Fotos steht, dann sage mir, was dir die Fotos wert sind.«
Durch die Glastür sah Veronika, wie die kichernden Cheerleader die Lobby verließen. Philipp drehte sich kurz um, wandte sich aber gleich wieder Veronika zu. »Ich weiß nicht«, sagte er und zuckte mit den Schultern, »eigentlich sind sie das wert, was die Ausarbeitung kostet. Also die üblichen vierzehn Euro.«
»Vierzehn Euro? Diese Fotos?« Veronika verzog den Mund und lächelte gequält. »Du kannst dir das Ganze bis morgen Nachmittag überlegen. Dann gibst du mir Bescheid. Ich verlange fünftausend Euro und keinen Cent weniger.« Sie stand auf und deutete auf die ominösen Fotos. »Die schenke ich dir. Die kannst du dir auf die Wand neben deinem Bett hängen.«
Es war kurz vor eins, als am Westbahnhof in Wien Milena Jesenská in der Nähe der Schließfächer stand und die nähere Umgebung beobachtete. Milena, die mit richtigemNamen Ludmilla Jesenská hieß, war sechsundzwanzig Jahre alt, stammte aus Prag und arbeitete als Einbrecherin. Begonnen hatte sie ihre Karriere in den Straßen der tschechischen Hauptstadt, wo sie das Handwerk der Taschendiebin erlernte und später zur Einbrecherin ausgebildet wurde. Seit sie vor einigen Jahren aus einem Prager Antiquariat für einen Kunden Bücher Franz Kafkas gestohlen hatte und bei dieser Gelegenheit den Briefwechsel des Dichters mit Milena Jesenská gelesen hatte, verwendete sie diesen Namen als Nom de Guerre.
Milena trug eine schwarze Perücke und Sonnenbrillen, was nicht weiter auffiel. Die meisten Menschen trugen an diesem heißen Sommertag Sonnenbrillen. Die Umhängetasche, in der sich Toiletteartikel, ein Handy, eine Digitalkamera, eine Pistole und ein paar Kleidungsstücke befanden, fühlte sich wegen der Hitze schwerer an, als sie tatsächlich war. In der linken Hand hielt Milena einen Fotochip, in der rechten einen Zettel mit einem vierstelligen Zahlencode, der ihr vor zwei Stunden telefonisch durchgegeben worden war. Das Mietauto hatte Milena bereits zurückgebracht, und wenn alles gut ging, würde sie den Zug um 13 Uhr 58 noch erreichen und wäre um spätestens sieben zu Hause in ihrer Wohnung in Prag.
Der Deal, den sie gerade zum Abschluss bringen wollte, war lukrativ. Sie hatte an einem bestimmten Ort in Österreich Digitalfotos gemacht und sollte jetzt den Chip in einem Schließfach am Wiener Westbahnhof deponieren. Ihr Honorar in Höhe von dreitausend Euro würde in diesem Schließfach liegen. Es war eines der üblichen Zug-um-Zug-Geschäfte.
An sich hätte der Austausch bereits gestern Abend stattfinden sollen, war aber dann kurzfristig auf heuteverschoben worden. Ihr Mittelsmann in Prag hatte sie gestern angerufen und gefragt, ob sie verrückt geworden sei und wie es überhaupt zu diesem Zwischenfall in der Höhle kommen konnte. Milena hatte kein Wort verstanden und mehrmals versichert, dass alles nach Plan abgelaufen sei und sie den Auftrag, wie vereinbart, erledigt habe. Da Milena befürchtete, dass die ihr unbekannten Auftraggeber nur nach einem Vorwand suchten, um sie auszutricksen, erklärte sie ihrem Mittelsmann in aller Deutlichkeit, dass sie auf keinen einzigen Cent des vereinbarten Honorars in Höhe von dreitausend Euro verzichten werde. Eine Stunde später erhielt sie dann einen neuerlichen Anruf ihres Mittelsmannes, der ihr mitteilte, dass es sich offenbar um einen Irrtum gehandelt habe und das Zug-um-Zug-Geschäft am nächsten Tag um dreizehn Uhr am Westbahnhof stattfinden würde.
Nach diesen Telefonaten hatte sich bei Milena ein ungutes Gefühl breit gemacht, und sie wusste, dass sie noch vorsichtiger sein musste als sonst. Außerdem hielt sie sich im Ausland auf, was die ganze Sache noch zusätzlich verkomplizierte.
Als Milena sah, dass sich von der linken Seite zwei Polizisten und von der rechten Seite einige
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