Bad Fucking
›Verdammte Scheiße‹, dachte er. Er wurde noch wütender, als er ohnehin schon war. »Was soll das?«, fragte er scharf. »Was geht Sie das überhaupt an, welche Fotos ich mache? Geben Sie sofort die Fotos her, sonst –.«
»Sonst was?«, fragte Veronika und wunderte sich über ihre eigene Courage. »Gehen Sie sonst zu Ihrer Frau und sagen ihr, dass Sie in Ihrer Ordination Ihre Putzfrau nackt fotografieren?«
Der Zahnarzt warf einen Blick auf das Foto, auf dem der graue Arbeitsmantel Jagodas und der Behandlungsstuhl klar zu erkennen waren. »Ich glaube, Sie haben zu viele schlechte Filme gesehen.« Er lächelte sarkastisch. »Geben Sie die Fotos sofort her oder ich schicke Ihnen die Polizei vorbei.«
»Bitte, bitte, hier haben Sie die Fotos.« Veronika deutete auf den Packen, der vor ihr auf dem Ladentisch lag. »Den Negativstreifen der letzten sechs Aufnahmen habe ich mir übrigens behalten. Und natürlich auch ein paar Abzüge des Fotos mit der Nummer 33.«
Dr. Ulrich nahm das von Veronika erwähnte Foto und steckte es in die Brusttasche seines weißen Hemds. »Also gut«, sagte er, »was wollen Sie von mir?«
»Ich verlange für das Negativ und die Abzüge fünftausend Euro. Und zwar bis morgen Abend.«
Der Zahnarzt begann laut zu lachen. »Sie sind ja verrückt. Wissen Sie, was Sie von mir bekommen? Einen Tritt in den Arsch bekommen Sie von mir. Und jetzt geben Sie mir das Negativ samt den Abzügen, bevor ich handgreiflich werde.«
»Das Negativ befindet sich an einem sicheren Ort, ich bin ja schließlich nicht blöd.« Veronika hatte das Gefühl, sich in einer Zeitschleife zu befinden. Hatte sie vor wenigen Stunden nicht die gleichen Worte zu Philipp Hintersteiner gesagt? »Sie haben bis morgen Abend Zeit, sich die Sache zu überlegen. Rufen Sie mich an, wie Sie sich entschieden haben. Hier ist meine Telefonnummer.« Veronika drückte dem sichtlich verwirrten Zahnarzt ihre Karte in die Hand.
Dr. Ulrich steckte die Karte ein und nahm die Fotos. »Sie hören von mir, darauf können Sie Gift nehmen«, sagte er im Hinausgehen.
Nachdem Dr. Ulrich die Tür hinter sich geschlossen hatte, setzte sich Veronika nieder und starrte auf den kleinen Vorlegeteppich. Wenn sie von links nach rechts zählte, kam sie auf dreiundzwanzig Farbstreifen, von rechts nach links aber nur auf zweiundzwanzig. Irgendetwas stimmte hier nicht.
Die Modedesigner Sunny Tingfang, Sven Brolin und Adalbert Zucker standen in ihrem Atelier um den großen Zuschneidetisch, auf dem Stoffe, Zeitschriften, Scheren, Maßbänder und Schnittbögen lagen. Durch die Badezimmertür drang das monotone Geräusch einer Dusche. Auf der Couch in der Ecke des Ateliers lagenMilena Jesenskás Umhängetasche und eine schwarze Perücke.
Die Chinesin Sunny Tingfang, der Schwede Sven Brolin und der Österreicher Adalbert Zucker – alle Ende zwanzig – waren Betreiber des Labels YEAH.MODE. DESIGN. Ihrem Aussehen und dem Haschischduft im Atelier nach zu schließen, waren sie Anhänger der Hippie-Bewegung, eine Vermutung, die durch Poster von Janis Joplin, Jimi Hendrix und Jim Morrison bestätigt wurde. Nicht ganz in diese Ahnenreihe passte freilich ein Plakat der Popgruppe ABBA.
Adalbert, der den Standventilator neben der Couch auf die höchste Stufe gestellt hatte, drückte die Wiederholungstaste des CD-Players, aus dessen Lautsprecherboxen
White Rabbit
von
Jefferson Airplane
klang. Diese Nummer gehörte zu Adalberts Lieblingssongs, weil er die darin geschilderten Drogenerfahrungen selbst gerne einmal gemacht hätte.
When you’ve just had some kind of mushroom / And your mind is moving slow / Go ask Alice / I think she’ll know
, sang Grace Slick mit ihrer unverwechselbaren Stimme.
»Alberto, bitte«, sagte Sunny, »dreh bitte den CD-Player ab, wir haben hier ein Problem zu lösen, bei dem uns deine Alice aus dem Wunderland auch nicht weiterhelfen kann.«
Sunny war die Einzige, die Adalbert
Alberto
nannte, weil sie fand, dass dieser Name besser zu dem verspielten Typen mit dem rotblonden Wuschelkopf passte als das strenge Adalbert.
»O. K.«, sagte Adalbert und drückte die Stopptaste, »aber so groß ist das Problem ja nun auch wieder nicht, wie du tust.«
»Entschuldige«, antwortete Sunny gereizt, »aber da trommelt am helllichten Tag eine Tschechin gegen unsereTür und fleht uns an, sie zu verstecken, und du sagst, wir hätten kein Problem. Und dass sie eine Perücke trägt, ist für dich scheinbar auch etwas ganz Normales.«
Adalbert setzte
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