Bad Fucking
Aalen wären das für jeden Bad Fuckinger« – Wellisch machte an dieser Stelle eine Kunstpause – »wären das äh, äh, Unsummen, die er verdienen könnte, genau genommen wären das also 343.406 Euro.« Wellisch, dem das Rechnen bereits in der Schule Probleme bereitet hatte, wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Der Fleischhauer Pamminger versuchte, das eingetrocknete Schweineblut von seinen Fingern herunterzukratzen, die Handarbeitslehrerin Sonnleitner war wieder eingeschlafen, der Totengräber Schreckenschlager nahm einen kräftigen Schluck von seinem Bier, der Hilfsgendarm Stallinger dachte sehnsuchtsvoll an seine Dachrinne, und der Gemischtwarenhändler Nutz tippte ein paar Zahlen in seinen Taschenrechner.
Als Wellisch weitersprechen wollte, wurde er von Nutz unterbrochen. »Moment, Wellisch, du hast doch gesagt, dass die Aale eineinhalb Tonnen gewogen haben, damals in Italien unten. Aber wenn ein Kilo Aal zehn Euro kostet, dann kriegt ja jeder Bad Fuckinger nur17.115 Euro und 38 Cent, und nicht 343.406 Euro, wie du behauptet hast.«
Wellisch hatte ein wenig den Faden verloren und die Zahlenspielereien ja nur in seine Rede eingebaut, um die Leute zu ködern. Dass er sich aber so gewaltig verrechnet hatte, warf kein gutes Licht auf seine Tätigkeit als Vereinsobmann. Er trat in dieser Situation die Flucht nach vorne an. »Ich wollte doch nur herausfinden, ob ihr euch eure eigenen Gedanken macht bei dieser ganzen Angelegenheit, weil das ist ja das Wichtigste. So, ich schlage vor, wir stimmen jetzt darüber ab, damit ich dem Bürgermeister sagen kann, dass die Bürger von Bad Fucking dafür sind, dass der Höllensee so bleibt, wie er ist, und dass wir keinem Bauprojekt zustimmen werden.«
Als Erster hob der Fleischhauer die Hand. »Moment einmal, wie ist das denn, wenn jeder nur mehr Aale isst, kann ich dann meine Fleischhackerei zusperren, oder wie stellst du dir das vor?«
Wellisch antwortete ruhig. »Schau, die Bad Fuckinger werden am Anfang sicher öfter Aale essen als sonst. Aber denk daran, dass unter den tausenden Touristen auch viele Moslems sein werden, die gar keinen Aal essen dürfen, weil er bei denen ja als unreines Tier gilt.«
»Aber, Moment«, protestierte der Fleischhauer Pamminger, »die Moslems essen ja auch kein Schweinefleisch. Was soll ich denn mit den Moslems in Bad Fucking anfangen?«
Der schwerhörige Totengräber wusste überhaupt nicht mehr, worum es ging, und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Die Moslems wollen in Bad Fucking eine Moschee errichten? Um Gottes willen, wo kommen wir denn da hin? Und was ist dann mit unserem Friedhof?Ja seid’s ihr denn alle narrisch geworden? Und die verschleiern uns am Ende noch unsere Frauen. Aber wann krieg ich jetzt endlich mein Geld für die Aale?«
Die pensionierte Handarbeitslehrerin wollte ebenfalls nach Hause gehen, um ihren Schal fertigzustricken, und hob zum Zeichen ihrer Zustimmung die Hand. »Ich bin auch dafür, dass wir jetzt abstimmen. Ich unterstütze den Antrag vom Herrn Inspektor Wellisch, weil der Umweltschutz vor allem für die Jugend wichtig ist.« Frau Sonnleitner griff zu ihrem Himbeer-Soda und nahm einen kräftigen Schluck.
Wellisch fasste das Schweigen im Saal als Zustimmung auf und erklärte die Sitzung kurzerhand für geschlossen.
Im Extrazimmer des Chinarestaurants
Zum himmlischen Frieden
hatten Sunny Tingfangs Eltern einen kleinen Altar aufgebaut, wie er in jener Gegend Chinas, aus der sie stammten, in fast jedem Haus zu finden war.
In der Mitte des Altars stand ein Gemälde, auf dem die drei Helden Guan Yu, Liu Bei und Zhang Fei zu sehen waren. Für Sunny Tingfang, Sven Brolin und Adalbert Zucker hatte dieses Bild durchaus Symbolcharakter, denn so wie sich Guan Yu, Liu Bei und Zhang Fei vor vielen hundert Jahren in einem Pfirsichgarten Treue geschworen hatten, hatten sich auch Sunny, Sven und Adalbert Treue geschworen. Allerdings nicht in einem Pfirsichgarten in China, sondern in einem Heurigenlokal in Wien.
Neben den erwähnten Helden war auf dem Bild auch noch Qinyi Zhen,
der Geist im blauen Rock
, der in China als Schutzgottheit der Seidenraupenzucht verehrt wird, zu sehen. Sunny war fest davon überzeugt, dass ihrQinyi Zhen in ihrem Beruf, in dem sie ja oft mit Seide zu tun hatte, Glück bringen würde. Flankiert wurde das Bild von zwei Buddha-Statuen.
Vor dem Gemälde stand ein kleiner, dreifüßiger Weihrauchkessel, um den zweiunddreißig
Gupais
, sogenannte
Knochenkarten
, gruppiert waren. Durch
Weitere Kostenlose Bücher