Bär, Otter und der Junge (German Edition)
lassen!“ Es kommt noch mehr, viel mehr, aber es wird ausgeblendet, als Creed die Tür hinter ihnen schließt. Ich höre, wie Otter rasch die Stufen hinunterkommt, und er lugt durch das Fenster, sieht auf die Einfahrt. Augenblicke später wird sein Körper angeleuchtet, als Creed die Scheinwerfer an seinem Auto einschaltet. Ich höre, wie er rückwärts aus der Einfahrt fährt, dann herrscht Ruhe.
„Was ist hier los?“fragt Otter und dreht sich abrupt zu mir um. „Um was, verdammt nochmal, ging's hier gerade? Was ist mit deiner Mom noch passiert?“
Ich sehe zu ihm hinüber, und sein Gesicht ist hart, sein Blick argwöhnisch. Es schmerzt noch tiefer, dass er mich überhaupt so ansehen kann, aber ich weiß, dass es von hier aus nicht besser wird. Ich hole tief Luft und öffne meinen Mund, um zu sprechen, um zu sagen, was ich so hastig einstudiert habe, als mir die Worte im Halse steckenbleiben. Ich verschlucke mich daran, und geschmolzener Stahl dehnt sich in meinem Magen aus, und er ist spitz und heiß, und ich denke, mich zerreißt es. Ich kippe nach vorne, umklammere mich selbst und ich höre, wie Otter sich beeilt zu mir zu kommen, und dann sind auch schon seine Arme um mich und er wiegt mich, wie er es immer tut, wenn die Welt zu laut wird, wenn das Wasser zu steigen droht. Er weiß noch nicht, dass ich bereits untergegangen bin. Er weiß noch nicht, dass es schon zu spät ist.
„Es ist okay, Bär“, flüstert er in mein Ohr. „Alles wird gut. Ich bin hier und alles wird gut –“
„Nein, wird es nicht“, stoße ich hervor und schiebe mich mit aller Macht von ihm weg. Er taumelt zurück und findet gerade noch sein Gleichgewicht wieder, bevor er auf seinem Hintern landet. Ich wollte ihn nicht so fest stoßen, aber ich konnte spüren wie er angefangen hat, mich aus den Tiefen zu ziehen. Ich konnte mich selbst aufsteigen spüren, und ich weiß, dass ich, wenn ich jetzt die Oberfläche durchbreche, es keine Chance geben wird, dass ich das hier tun kann, dass es keine Chance geben wird, dass ich diese Farce würde durchziehen können. Ty ist jetzt, mehr als je zuvor, von mir abhängig, und ich kann nicht zulassen, dass Otter mich zum Atmen nach oben zieht,
„Was ist hier los, Bär?“, fragt er, seine Augen sind wieder hart. „Was ist mit dir passiert?“
„Ich kann nicht mehr mit dir zusammen sein“, sage ich, in dem Wissen, dass ich die Worte nicht zurücknehmen kann. Ich presse die Augen zusammen und versuche, das Atmen wieder aufzunehmen, versuche, es unter Kontrolle zu bekommen. In der Dunkelheit sehe ich den Gewittersturm hell über der Oberfläche aufblitzen. Blitze bahnen sich ihren Weg durch den Himmel und es sieht aus wie eine Sternschnuppe. Ich bin noch nicht so weit weg, dass ich nicht weiß, dass es eine Lüge ist.
Er schnaubt. „Was? Zur Hölle damit, Bär. Netter Versuch.“
„Ich kann nicht mehr mit dir zusammen sein“, wiederhole ich. „Das bin ich nicht.“
„Was hat sie zu dir gesagt?“, fährt er mich an.
„Sie hat gar nichts gesagt“, antworte ich. „Das hier hat nichts mit ihr zu tun.“
„Einen Scheiß hat es nicht!“, knurrt er und ich kann einen Lufthauch spüren und ich denke, es ist der Wind, aber dann kann ich Otters Atem auf meinem Gesicht spüren und ich weiß, dass er direkt vor mir steht. Ich öffne meine Augen nicht. Ich kann nicht.
„Was hat sie getan, Bär? Es ist erst ein paar Stunden her! Was hat sie, verfickt nochmal, mit dir gemacht?“
„Bitte, Otter“, flüstere ich.
„Bitte, was?“, fragt er wütend. „Gegen besseres Wissen lasse ich dich mit ihr allein, und jetzt stehst du hier vor mir, kannst mir nicht einmal in die Augen sehen und sagst mir, dass du nicht mehr mit mir zusammen sein willst? Natürlich stelle ich Fragen. Natürlich musst du mir alles erklären. So einfach kommst du nicht davon. Du wirst hier nicht rumsitzen und diesen dämlichen Scheiß von dir geben!“
Meine Augen fliegen auf und zum ersten Mal in dieser Nacht bin ich wütend auf ihn. Völlig irrational, aber trotzdem wütend. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber die Geschwindigkeit, in der die Wut in mir aufsteigt, verursacht mir Übelkeit. Ich will ausholen und treffen und kratzen und beißen, und so sehr ich mir auch sage, dass er alles Recht der Welt hat, so zu reagieren, jedes Recht, Erklärungen zu verlangen, die keine glatten Lügen sind, kann ich nicht anders. Es ist, als wären alle Blutgefäße hinter meinen Augen geplatzt, denn ich kann nur
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