Bär, Otter und der Junge (German Edition)
ist, die Frage zu stellen, die ihn beschäftigt. Mich erinnert das Ganze an die Frage nach dem Verliebt-sein, als wir Creed vor zwei Wochen vom Flughafen abgeholt haben. Manchmal ist es erfrischend, nicht zu wissen, was jemand sagen wird.
„Kann ich dich was fragen?“
„Sicher.“
„Ist Otter schwul?“
Manchmal ist es erfrischend; manchmal aber auch...
Mir stockt der Atem. Was, zur Hölle? , denke ich. Wo, um alles in der Welt, hat er das gehört? Und warum, muss ich mich mit dem einzigen Neunjährigen auf der Welt abgeben, der so eine Frage stellen würde ? Kinder können nicht einfach Fragen stellen, von denen ich nicht weiß, wie ich sie beantworten soll!
Anna weiß offensichtlich, dass ich Schwierigkeiten habe, auf seine Nachforschungen zu antworten und stellt eine Rückfrage, „Warum fragst du, Ty?“
„Es ist nur was, worüber ich nachgedacht habe“, antwortet er ehrlich. „Ist das schlimm?“
Sie schüttelt den Kopf. „Natürlich ist es nicht schlimm, Fragen zu stellen, Junge. Du kannst alles fragen, was du möchtest. Allerdings ist Papa Bär derjenige, der entscheiden muss, ob du dazu bereit bist, die Antwort auf deine Fragen zu hören. Okay?“
Er nickt und sieht wieder mich an und ich verfluche Anna heimlich. Sie hat es glasklar gemacht, dass sie nicht auspacken wird, dass sie nicht diejenige ist, die seinen Verdacht bestätigt. Sie hat es mir überlassen und ich beginne ihre Motive in Frage zu stellen. Anna setzt sich auf und in den Schneidersitz. Sie sieht auf ihre Hände, als sie darauf wartet, dass ich antworte. Seufzend setzte ich mich ebenfalls auf und rutsche von der Couch hinunter, um mich vor Ty zu setzen. „Wo hast du das gehört?“, frage ich ihn.
Er zuckt mit den Schultern. „Irgendwann mal, als ich bei Onkel Creed zu Hause war.“ Er reißt die Augen auf, als wäre ihm plötzlich etwas in den Sinn gekommen. „Ich hab aber nicht gelauscht “, fügt der Junge rasch hinzu.
„Das hab ich auch nicht gedacht, Junge“, versichere ich. „Ich wollte nur wissen, ob es dir jemand erzählt hat, oder ob du es versehentlich mitbekommen hast.“
Er grinst mich dankbar an. „Ich hab zufällig mitbekommen, wie Onkel Creed Otter nach seinem Freund gefragt hat. Otter ist sauer geworden und hat ihm gesagt, er soll die Klappe halten.“ Er hält inne, als würde er über etwas nachdenken. „Warum sollte Otter deshalb sauer sein? Ist irgendwas Schlimmes passiert?“
„Ganz ehrlich, Junge? Ich hab keine Ahnung“, sage ich langsam, denn ich weiß, dass auch Anna jedem einzelnen meiner Worte folgt. Als ich am Abend der Party des Jungen zurück ins Haus gekommen bin, war Otter bereits in sein Zimmer gegangen und hatte die Tür hinter sich verschlossen. Anna und Creed hatten mich sofort ausgefragt und wollten eine wörtliche Wiedergabe von Wenn der Bär angreift . Zu ihrem Leidwesen, hatte ich keine ihrer Fragen direkt beantwortet. Ich sagte mir, dass es nicht mein Platz wäre, etwas zu sagen. Nicht, dass ich viel erfahren hätte. Ich wusste, dass ich ein Lügner war.
„Ich dachte, wenn man einen Freund oder eine Freundin hat“, begann Ty weise, „wäre man glücklich und will über ihn oder sie reden. Ich glaub nicht, dass Otters Freund sehr nett gewesen ist, wenn er schon sauer wird, wenn Onkel Creed nur fragt.“
Anna lacht ein wenig. „Nur weil du jemanden hast, Ty, heißt das nicht, dass du die ganze Zeit über glücklich bist. Manchmal streitet man und manchmal macht die andere Person etwas Dummes, und dich damit wütend.“
„So wie Bär, als er gesagt hat, dass deine Nase platt aussieht?“, fragt Ty mit einem gedankenverlorenen Ausdruck auf dem Gesicht. Ich stöhne, als Anna mir eins auf den Hinterkopf verpasst.
„Ja, Ty, genau so“, antwortet sie. „Manchmal können Menschen ein wenig taktlos sein.“
„Oder manchmal“, erkläre ich ihm, „können Menschen überempfindlich sein und Dinge falsch auffassen, selbst wenn du sie gar nicht so gemeint hast. Das sind dann gewöhnlich Mädchen und es liegt gewöhnlich an ihren Hormonen.“
„Was heißt, es liegt an den Hormonen?“, fragt Ty und Anna wirft mir einen wütenden Blick zu.
Ich schüttle den Kopf. „Lass uns da jetzt nicht drüber sprechen.“
„Also ist Otter schwul?“, fragt der Junge und lenkt damit das Thema wieder auf die ursprüngliche Fragestellung.
„Ja“, sagt Anna. „Und das ist keine schlechte Sache, denn es ändert nicht, wer er ist.“
Er sieht sie überrascht an. „Wer hat gesagt,
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