Bär, Otter und der Junge (German Edition)
sehen.
Es ist erst ein paar Tage her, dass ich sie das letzte Mal gesehen habe, aber es fühlt sich ewig an. Ich war so auf mein Elend über Ty konzentriert, dass ich nicht einmal daran gedacht habe, auf den Dienstplan zu sehen, ob sie heute Abend arbeitet. Sie geht langsam, als würden wir beide daran denken, dass sie direkt an mir vorbeigehen muss, um in den Laden zu kommen. Ich sag mir selbst, dass ich nicht albern sein soll, dass er nur eine Frage der Zeit war, bis wir uns wiedersehen würden. Himmel nochmal, wir arbeiten zusammen. Ich starre sie einen Moment lang an, bevor ich den Blick senke und eine interessante Sommersprosse auf meinem rechten Arm finde, die meine ungeteilte Aufmerksamkeit verdient. Ich denke wirres Zeug, dass sie alles wissen wird, wenn sie mein Gesicht sieht. Ein Blick wird ausreichen und sie wird es dort geschrieben sehen, als hätte ich eine Neonreklame über dem Kopf hängen, die verkündet, dass ich eine SCHWUCHTEL bin und SCHWUCHTELIGE DINGE getan habe und WIEDER SCHWUCHTELIGE DINGE tun werde. Ich stöhne leise auf und reibe mir mit den Händen übers Gesicht. Ich denke, dass sie vielleicht verschwunden sein könnte, wenn ich sie wieder wegnehme. Entweder ins Geschäft oder vom Erdboden. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, was mir lieber wäre.
Aber sie geht nicht einfach vorbei und sie löst sich auch nicht in Luft auf. Sie setzt sich an die andere Seite des Tisches. Ich höre ihn quietschen und ich fluche leise vor mich hin, als ich meine Hände zurück auf den Tisch lege. Ich wage einen Blick in ihre Richtung und fühle mich leicht ermutigt. Sie fletscht nicht die Zähne und schreckt auch nicht angewidert zurück, als sie mich ansieht.
„Hey“, sagt sie, und erscheint beinahe so nervös, wie ich mich fühle.
„Selber hey“, erwidere ich, und gratuliere mir selbst, als meine Stimme normal klingt. „Sieht so aus, als arbeitest du heute Abend.“ Das klang wirklich intelligent.
Sie nickt . „Jepp. Ich mach dann zu. Hast du's nicht auf dem Dienstplan gesehen?“
Ich schüttle den Kopf. „Schätze nicht.“
Anna spielt mit ihrem Fingernagel. „Was gibt’s Neues?“
„Ach, weißt du...“, beginne ich. In meinem Kopf beende ich: Ach, weißt du, das Übliche. Ich hab jetzt zwei oder dreimal in Otters Bett geschlafen. Oh, keine Sorge! Wir haben nicht wirklich was gemacht. Außer uns Geschichten über dich erzählt. . Und mich. Und ihn. Wusstest du, dass er mich schon lange wollte? In Wirklichkeit ist er gegangen, weil er mich so dringend gebraucht hat, dass es weh tat und er dachte, er würde projektieren. Erinnerst du dich daran, als ich das immer zu dir gesagt habe? Dass du projektierst? Naja, das hat er auch gedacht. Aber es war so schlimm, dass er es als Ausrede benutzt hat und von hier verschwunden ist, aber dann ist er zurückgekommen und ich verstehe noch immer nicht ganz, warum. Oh, und möglicherweise haben wir rumgeknutscht. Und möglicherweise mochte ich es. Und das alles, nachdem wir beide Schluss gemacht haben. Vor wie vielen Tagen? Zwei ? Drei? Nachdem wir seit der zweiten Klasse zusammen waren? Also, du weißt schon, das Übliche.
„Weißt du“, wiederhole ich, „das Übliche.“
Sie nickt wieder. „Ist das gut oder schlecht?“
Ich zucke die Schultern. „Weder noch, schätze ich“, antworte ich wahrheitsgemäß. „Es ist... einfach so.“
„Wie geht’s Ty?“, fragt sie.
Ich kratze an einem Spritzer Farbe auf dem Tisch herum. „Ihm geht’s gut. Er schläft heute Nacht bei 'nem Freund.“
Ihre Augen weiten sich ein wenig. „Sowas wie ein Freund aus der Schule? Wow, Bär. Wie hast du ihn dazu bekommen?“
Ich schnaube. „Ich hab ihn zu gar nichts bekommen. Er hat mich gefragt.“
Besorgnis flammt plötzlich auf ihrem Gesicht auf. Sie kennt mich zu gut und ich fluche wieder. „Wie geht’s dir damit?“, fragt sie leise.
„Mir? Oh, mir geht’s gut“, sage ich und versuche zu lächeln. Es endet als Grimasse. „Es musste früher oder später passieren, stimmt's?“
Sie neigt ihren Kopf ein wenig. „Da bin ich sicher“, sagt sie langsam. „Aber ich frage mich, warum er beschlossen hat, es jetzt zu tun.“ Mein dämliches Ich ist kurz davor, ihr zu erzählen, dass der Junge denkt, dass ich jetzt, da Otter zu Hause ist, sicher und glücklich bin. Dass ich langsam beginne zu verstehen, dass der einzige Grund dafür, dass er beginnt sich wie der Junge zu benehmen, der er nun mal ist, der ist, dass ihm jemand versprochen hat, auf mich
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