Bär, Otter und der Junge (German Edition)
einen weiteren Blick zu und ich richte den meinen gegen die Wand, die plötzlich äußerst interessant geworden ist. „Was machst du hier?“, fragt sie Otter.
Er zuckt mit den Schultern. „Ich dachte mir, ich schau mal vorbei. Ich war in der Gegend und wollte noch was zu Essen besorgen. Ich glaub, ich hab daheim alles aufgefuttert.“
Sie lacht und in mir zieht sich was zusammen. „Cool“, antwortet sie ihm. „Schön dich zu sehen, Otter. Ich bin froh, dass du dich diesmal entschieden hast, 'ne Weile zu bleiben. Weißt du schon wie lange?“
Er schüttelt den Kopf. „Ich hab noch nicht wirklich drüber nachgedacht.“ Er wirft mir über seine Schulter hinweg einen Blick zu. Ein schneller Blick, nicht länger als eine Sekunde. Eine Blinzel-Und-Du-Verpasst-Es-Sache. „Ich schätze, ich bleibe solange ich erwünscht bin.“
Anna zwinkert ihm, nicht wirklich subtil, zu. „Du bist hier immer erwünscht, Otter. Nicht wahr, Bär?“
Ich murmle irgendwas Zustimmendes vor mich hin.
„Vergib ihm“, sagt sie zu Otter. „In dem Versuch mich zu meiden, ist er schon den ganzen Abend in diesem Büro hier eingesperrt.“
„Ich meide dich nicht“, knurre ich sie an. „Ich hatte was zu erledigen.“
Sie grinst mich zuckersüß an. „Natürlich hast du das.“ Otter sieht zwischen uns hin und her und hebt eine Augenbraue. Ich versuche mich selbst davon abzuhalten, sie beide zu verprügeln.
„Hast du heute Abend schon was vor?“, fragt Anna Otter. „Vielleicht könnten wir 'nen Kaffee trinken oder so, wenn ich Feierabend hab. Du weißt schon, quatschen um der alten Zeiten Willen.“
„Können wir das verschieben?“, fragt er sie. „Ich muss... ein paar Dinge erledigen. Aber auf jeden Fall bald, okay?“
Sie lächelt und nickt. „Klar doch.“ Sie sieht mich wieder an. „Bär, bist du jetzt nicht fertig für heute? Warum begleitest du Otter nicht beim Einkaufen?“ Meine Hand ruht auf dem Tacker und ich bin dazu bereit, ihn nach einem von beiden zu werfen (mir ist es egal, wen er trifft), als sie Otter ein weiteres Mal umarmt, sich umdreht und davongeht. Otter sieht ihr einen Moment lang hinterher und dreht sich dann zurück zu mir.
„Bär, leg den Tacker hin, bevor du dir selbst wehtust“, sagt er, als er meinen erhobenen Arm beäugt.
„A NNA scheint es...gut zu gehen“, stellt Otter fest, als wir die Einkäufe die Treppe hoch tragen.
Ich hantiere mit meinen Schlüsseln, als ich versuche, die Tür zu öffnen. „Schätze schon“, brumme ich ihn an. Ich finde den richtigen Schlüssel, öffne die Tür und knipse das Licht im Wohnzimmer an. Er kommt rein, stellt die Tüten auf den Tisch, wendet sich dann mir zu, nimmt mir meine Tüten aus den Armen und stellt sie zu seinen. Dann zieht er mich in seine Arme und ich versuche, nicht allzu sehr zu protestieren. Ich lege meinen Kopf auf seine Schulter und lehne mich gegen ihn. Er legt mir eine Hand auf den unteren Teil meines Rückens und schlingt die andere um meine Schultern. Ich fühle mich geborgen, wenn ich so mit ihm zusammen bin, aber das ist etwas, das ich ihm nicht sagen werde, denn ich kann es kaum mir selbst gegenüber zugeben. Es ist ein eigenartiges Gefühl, so zwiegespalten über etwas zu sein, aber dieser Konflikt scheint zu verpuffen, sobald ich mich wohlig an ihn schmiege. Das, was auch immer wir tun, tun wir erst seit ein paar Tagen, aber das macht nichts. Ich fühle mich geborgen.
Er zieht sich ein klein wenig zurück. „Wie geht’s dir?“, fragt er mich.
„Ernsthaft ?“, frage ich und er nickt. „Es war ein sehr eigenartiger Tag.“
„Ist das das erste Mal, dass du Anna gesehen hast, seit ihr Schluss gemacht habt?“
Ich nicke und ziehe mich von ihm zurück. Ich setze mich müde an den Tisch. „Ich denke, sie weiß es“, sage ich leise.
„Weiß was?“, fragt er und beginnt, die Einkäufe wegzuräumen.
Ich zögere. Ich hatte nicht beabsichtigt, es laut auszusprechen. Ich hatte nicht beabsichtigt, das Thema überhaupt anzusprechen, aber der Gedanke ist in meinem Kopf herumgetanzt, seit ich sie früher am Abend gesehen habe. Ich hatte mich im Büro verbarrikadiert, um sie zu meiden, aber nicht, weil ich dachte, sie könne etwas in meinem Gesicht sehen. Ich hab es getan, weil ich weiß, dass Anna mich besser, als beinahe jeder andere lesen kann. Ich habe mich vor ihr versteckt, damit ich nicht sehen musste, wie sie mich ansieht.
Ich seufze. „Weiß von... dem hier“, sage ich und breite meine Arme aus. „Ich denke,
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