Bärenmädchen (German Edition)
Ben Abner mochte das L-Wort nicht einmal aussprechen. Für ihn war es eine Art Störfall im System. Etwas, dem ein kluger Alpha tunlichst aus dem Weg ging.
Als ob das nicht genug wäre, blieb noch die schwierigste Frage von allem. Was tat er selbst dem Mädchen an, wenn er sich auf sie einließ? Die Explosion in Bagdad hatte seinen Körper zerfetzt, der dazugehörige Verrat von Aminah sein Gefühlsleben pulverisiert. Geblieben waren einzig seine wohltemperierten sadistischen Vergnügungen in der Organisation Magnus. Er war in etwa so gut für die Liebe geeignet wie eine Schwarze Witwe, die ihren Spinnenpartner nach der Paarung zu verspeisen pflegte.
Da konnte ihn die Krähe… Verdammt, jetzt nannte er sie auch schon so. Da konnte ihn Holly Rüschenberg noch so vorwurfsvoll anschauen. Er wusste, was er tat oder was er besser bleiben ließ. Also stimmte er zu, Dascha statt Anne in der zweiten Ausbildungsphase zu übernehmen. Erleichtert hatte er danach Abners Büro verlassen. Erleichtert war er zu Bett gegangen. Tief und traumlos hatte er geschlafen, nur um dann in aller Frühe aufzuwachen und festzustellen, dass er den einen quälenden Zustand mit einem anderen vertauscht hatte. Er fühlte sich rastlos, unruhig und vor allem zornig. Sehr zornig. Er haderte mit sich, mit Anne, mit Abner, mit dem Schicksal und mit allem, was ihm sonst noch in die Quere kam.
Um 6.30 Uhr bereits hatte er den ersten seiner Mitarbeiter aus dem Bett geholt und zusammengestaucht, weil er es gestern versäumt hatte, eine schadhafte Kamera am Sicherheitszaun zu melden. Danach war Rockenbach dran gewesen. Wo denn der wöchentliche Bericht bleibe. Der sei schon seit 24 Stunden überfällig, hatte er ins Telefon gebellt. Wenn sich Rockenbach nicht in der Lage sehe, seinen doppelten Verpflichtungen als Animilisateur und als Teamleiter im Sicherheitsbereich nachzukommen, brauche er es ihm nur sagen. Während Rockenbach, immer noch schlaftrunken, eine Antwort stotterte, hatte eine Beta – ein schüchternes Wesen, das er daher stets vorsichtig und sanft behandelte – ihm das Frühstück ins Büro gebracht. Die Tasse mit dampfendem Kaffee hatte sie direkt vor ihm hingestellt. Gedankenverloren nahm er einen Schluck und verbrühte sich die Lippen. Der Kaffee war kochendheiß und plötzlich verspürte er den schrecklichen und geradezu überwältigenden Drang, ihn dem Mädchen zur Strafe über die nackten Brüste zu schütten.
Es dauerte nur eine Sekunde, dann hatte er sich wieder im Griff, aber von Betas hielt er sich in den folgenden Stunden geradezu ängstlich fern. Bei Dascha war dies allerdings nicht möglich. Wie nach der Prügelei vereinbart, wurde sie am Vormittag noch einmal von der Ärztin des Schlosses untersucht. Als ihr zukünftiger Gebieter kam Adrian nicht umhin, sie danach im Verwaltungsgebäude, in dem sich die Praxisräume befanden, abzuholen. Er nahm sich vor, die Sache mit eiserner Selbstbeherrschung anzugehen und sich keinesfalls von seinem Zorn überwältigen zu lassen.
Adrian hatte noch am frühen Morgen Daschas Akte studiert und sich einen Teil ihrer Tiefeninterviews angehört. Er kannte Abners Einschätzung ihres Charakters und er hatte sie selbst in Aktion erlebt, als sie Anne in der Bibliothek wegen der Pralinen denunzierte. Er hielt sie für intrigant, manipulativ, egoistisch und skrupellos. Was den Kampf im Schlafraum der Zöglinge betraf, glaubte Adrian allerdings, dass sein Bärenmädchen sich da im Wesentlichen selbst hineingeritten hatte. Zu schwerwiegend und eindeutig waren die Aussagen der anderen Betas. Dennoch hatte er das unbestimmte Gefühl, dass Dascha auch daran längst nicht so unschuldig war, wie es andere glauben mochten. Und sie hatte wahrlich das Beste aus der Situation gemacht.
Beaufsichtigt von einer Zofe stand sie in ihrem blaugrauen Trainingsanzug bereits abmarschbereit vor dem Verwaltungsgebäude, als er auf den Hof gerollt kam. Mit einem Wink hatte er die andere Beta weggeschickt und sich seinem Zögling zugewandt. Dascha hatte formvollendet geknickst und ihm dann ein Attest der Ärztin überreicht. Ungläubig hatte er auf das Schriftstück geschaut. Anscheinend hatte sie keine ernsthaften Verletzungen davongetragen, trotzdem wurde sie für sieben Tage „aufgrund stressbedingtem Schockzustands von jedweder Züchtigung durch Schlaginstrumente aller Art inklusive elektrischer Strafmittel“ befreit. Zunächst hatte ihn die Sache beinahe belustigt. Die Kleine war gut. Sie war richtig gut, denn er
Weitere Kostenlose Bücher