Bärenmädchen (German Edition)
denn kein Erbarmen mit ihr? Wusste er nicht, wie entsetzlich die Schläge schmerzten und wie sehr sie sich bemüht hatte? Sie spürte wieder seine Fußspitze. Drängend und fordernd stieß sie jetzt in ihre Flanke. Da sprang sie voller Verzweiflung auf. Er saß immer noch wie vorhin in seinem Sessel und schnell hatte sie sich wieder zwischen seine Beine gekauert. Klein und schlaff ruhte Rockenbachs Schwanz in seinem Nest aus schwarzen Haaren. Ein schlafender Prinz. Vielleicht würde er sie retten, wenn er nur wach würde. Sie überhäufte ihn mit drängenden Küssen. Die Männer um sie herum lachten, aber sie konzentrierte sich auf den prinzlichen Soldaten, der einfach nicht strammstehen wollte. Und dann, als sie die Hoffnung fast aufgegeben hatte, begann er sich endlich zu regen. Zuckend nahm er Haltung an. Sie schluchzte vor Erleichterung. Eine Träne fiel auf den halberigierten Schwanz. Dann noch eine und noch eine.
Da packte Rockenbach sie wieder an den Haaren und hob ihren Kopf hoch. Sie sah in sein Holzklotz-Gesicht und erkannte einen weiteren Ausdruck, den sie sich würde merken müssen: Mitleid.
11. Kapitel:
Verrücktheiten
Sie war perfekt, um Anne zu vergessen. Eine samtäugige Gazelle mit Honigtropfen-Brüsten – wie Arpad Somogy, der Präsident Molduriens, in seiner blumigen Art angesichts ihrer barbusigen Vorstellung auf dem Willkommensfest geschwärmt hatte. Ohne Zweifel war Dascha eine der atemberaubendsten Betas, die jemals den Weg nach Károlyi gefunden hatten.
Ben Abner hatte also wohl gewusst, wie er Adrian den Verzicht auf Anne schmackhaft machen konnte. Dabei wäre es vielleicht noch nicht einmal nötig gewesen, denn Adrian war erleichtert, als er hörte, was im Schlafraum der Zöglinge passiert war. Noch am selben Abend, es mochte gegen 24 Uhr gewesen sein, hatte Abner ihn in sein Büro gebeten und ihm im Beisein von Holly Rüschenberg eröffnete, was Anne getan hatte. Der Schlossherr führte aus, dass ihre zügellose Gewalttätigkeit ihm nun keine andere Möglichkeit ließe, als sie umgehend der Spezialausbildung zuzuführen.
Adrian spürte in diesem Augenblick wohl den Blick von Holly Rüschenberg. Erwartungsvoll hatte sie ihn zuerst angeschaut, dann vorwurfsvoll und schließlich verächtlich, als er schwieg und nicht widersprach. Sie war anscheinend der Meinung, dass Anne zu streng bestraft wurde. Abner aber hatte unentwegt weiter geredet. Anne Ludwig sei ja ohnehin bindend an Ortega verkauft. Die Spezialausbildung sei genau das Richtige für sie, da der Südamerikaner sie als Stute benutzen würde. Das stünde sogar im Kaufvertrag. Außerdem wäre Adrian nun zum Glück für Dascha frei. Da falle Abner nämlich ein riesiger Stein vom Herzen. Auch wenn Dascha offensichtlich schuldlos an dem Vorfall war, bräuchte sie doch – da wären sich ja wohl alle einig – einen erfahrenen und fähigen Alpha für die zweite Erziehungsphase. Attila von Ungruhe sei derzeit viel zu sehr in die Spezialausbildung eingespannt, um dieser Aufgabe gerecht zu werden. Der arme Kerl komme ja praktisch gar nicht mehr aus seiner Werkstatt heraus. Von Ungruhe selbst habe daher Adrian als Daschas Gebieter vorgeschlagen. Erwartungsvoll sah ihn der Schlossherr an.
Wie einfach auf einmal alles war. Wenn Adrian jetzt zustimmte - ein winziges Kopfnicken würde ja genügen! - hatten all die Grübeleien der vergangenen Tage ein Ende. Sicher, damals in der Bibliothek war alles magisch gewesen. Hingerissen war er und vernarrt in das Mädchen, das mit Glüwürmchenaugen neben seinem Sessel saß, das ihn anhimmelte, das es wagte, ihm zu trotzen, das voller verrückter Einfälle war, das mit seinem wütenden Blick eine Teflonschicht in Brand setzen konnte und das mit seinem Lachen sogar die Kronleuchter der Schlossbibliothek überstrahlte.
Die Zweifel kamen später. Wie tief etwa konnten ihre Gefühle überhaupt sein? Sie war ein Zögling, ganz neu in der Organisation. Adrian war der erste Alpha, der ihr die Strenge angedeihen ließ, nach der sie sich so sehr sehnte. Schwärmte sie nicht allein schon deswegen für ihn? Angenommen aber ihre Gefühle für ihn waren ernst. Wohin konnte das führen? Hatte so etwas überhaupt einen Platz in der Organisation Magnus? Sicher, es gab Beispiele. Sie funktionierten mehr oder weniger gut. Manche verliefen katastrophal. Bei Abners französischem Freund Jean und seiner Florence hatte es quasi in einem Giftanschlag geendet. Sein Mentor und Förderer
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