Bärenmädchen (German Edition)
es so gründlich, dass fast mit Sicherheit eine Narbe zurückbleiben würde. Während der Schmerz wütend an seiner Selbstbeherrschung zerrte, schaute er sie ruhig an. Erst hatte sie mit großen Augen den Kopf geschüttelt über seinen närrischen Unverstand, es ihr gleichzutun, aber dann griff sie nach seiner Hand und bedeckte sie mit Küssen.
Vorsichtig entzog er sie ihr. Ein Blick, ein Lächeln, eine sanfte Berührung - dann ging er hinaus. Er beschloss, sofort Ben Abner aufzusuchen. Inzwischen war es fast drei Uhr, aber er wusste, dass der Schlossherr oft bis spät in die Nacht arbeitete. Gerade heute am Abend des Willkommensfestes und nach seiner flammenden Rede war Adrian fast sicher, dass er ihn noch in seinem Büro antreffen würde, und er hatte Recht.
Als er in den Korridor zum Zimmer des Schlossherren einbog, sah er, wie Arpad Somogy es gerade verließ. Er war nicht alleine. Die Sängerin der „La Betas“ ging neben ihm. Somogy schaffte es sogar im Gehen, ihre Melonenbrüste zu tätscheln. Er winkte Adrian zu, als er ihn den Flur hinabkommen sah. Irgendetwas hielt er in der Hand. Adrian musste grinsen. Es war garantiert der Schüssel für den Keuschheitsgürtel der Sängerin. Deren dreijährige Phase der Enthaltsamkeit fand also heute ein Ende. Was Abners Pariser Kollegen Lacour wohl dazu bewogen hatte, den Schlüssel herauszurücken?
Somogy bugsierte seine Beute in eines der Nachbarzimmer von Abners Büro. Dort stand ein besonders großes Bett als Spielwiese bereit, wusste Adrian. Abner nutzte es selbst regelmäßig, um sich mit seinen Favoritinnen unter den Betas zu verlustieren. Manchmal war auch ein männlicher Beta darunter. Der Schlossherr fand an beiden Geschlechtern Gefallen. Adrian war immer wieder überrascht, wie unersättlich, ja geradezu exzessiv der 59-jährige Abner seine Neigungen auslebte. Im Schloss und in der Organisation beanspruchten ihn zahlreiche wichtige Aufgaben, trotzdem fand er die Zeit, Tag für Tag immer neue Spielarten und Varianten ihrer Passion zu praktizieren. Als er jetzt Abners Arbeitszimmer betrat, leistete ihm allerdings nur eine seiner geliebten Havanna-Zigarren Gesellschaft.
„Was kann ich für sie tun, Adrian? Sagen sie es nur. Ich bin heute in Geberlaune“, erklärte er aufgekratzt, nachdem sie sich in der Sitzecke niedergelassen hatten. Noch bevor Adrian etwas sagen konnte, sprach er weiter: „Aber als erstes machen wir Schluss mit diesem schrecklichen Gesieze. Ab jetzt sagen wir du zueinander.“
Er sprang auf und eilte zum Mahagoni-Schrank, in dem seine persönliche Bar untergebracht war. „Diesmal kommst du mir nicht als notorischer Mineralwassertrinker davon. Dieses denkwürdige Ereignis müssen wir mit etwas Anständigem feiern.“
Wenig später hielten er und Adrian zwei Martinis in der Hand. Stilecht blinzelte Adrian sogar eine Olive aus seinem Glas entgegen. Die Sache war nicht ohne Komik, fand er. In der Regel mied er Alkohol und Zigaretten. Er hasste das Gefühl, die Kontrolle über sich zu verlieren und von etwas abhängig zu sein. Heute hatte er sich am Morgen sozusagen einem Wutrausch hingegeben. Er hatte vorhin geraucht und sich - als Schlimmstes von allem – mit Haut und Haaren dem Laster des L-Wortes verschrieben. Da konnte ein Drink nun auch nicht mehr schaden.
„Weißt du, warum ich so blendender Laune bin?“, fuhr Abner fort. „Somogy hat sich für unsere Seite ausgesprochen. Dabei war ich mir bei diesem Gauner überhaupt nicht sicher. Damit haben wir einen ganz mächtigen Verbündeten, Adrian. Ich wünschte, du wärst dabei gewesen.“
„Die La-Beta-Sängerin war bestimmt viel überzeugender als ich.“
Abner lachte, dann sagte er: „Ich wusste, dass die Sache mit der dreijährigen Keuschheit unseren moldurischen Hengst richtig heiß machen würde. Daher habe ich es auf der Bühne erwähnt. Natürlich hat Somogy sich nicht deshalb gegen Ortega ausgesprochen. Dafür ist er viel zu schlau. Die Kleine war sozusagen atmosphärisches Beiwerk. So ein scharfes Luder. Klitschnass ist die zwischen den Beinen geworden, als sie mitbekommen hat, worum es ging. Wir haben es eingehend überprüft.“
Genießerisch nahm Abner einen Schluck Martini. „Larcour fand es allerdings gar nicht lustig, aber er hat sich im Sinne der großen Sache gebeugt. Als ob die Mädchen wirklich schlechter spielen würden, wenn sie hin und wieder kräftig durchgenagelt würden. Glaub mir, Adrian, das Gegenteil ist der Fall.“
Er machte wieder eine Pause,
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