Bärenmädchen (German Edition)
Besichtigungs-Touren durch sein Reich. Die Daumen lässig vor seinem Bauch in den Gürtel seiner Hose geklemmt schritt er den Besuchern voran, präsentierte seine Geschöpfe und ließ sich immer wortreicher über seine Arbeit aus.
Einmal erhielten die Stuten gerade ihre Mittagsmahlzeit, als Rockenbach mit einem Besucher im „Speisesaal“ erschien. Anne ging davon aus, dass die Bezeichnung dem schrägen Humor Rockenbachs entsprungen war. Gespeist wurde hier nicht, aber das wäre für ihresgleichen ja auch ganz und gar unpassend gewesen. Sie hatte den Raum bei ihrer Erkundungstour am ersten Tag übersehen. Er lag gegenüber den Schlafkammern im Hauptgebäude. Die Stuten standen einzeln an kleinen Tischen, die auf Brusthöhe an den weiß gekachelten Wänden des Raumes angebracht waren. Zwei Zofen verteilten das Essen und beaufsichtigten sie. Meist gab es ein fades, breiartiges Gemisch aus verschiedenen Gemüsen. Die Zofen füllten es in einem Napf, der auf jedem der Tische festgeschraubt war. Erst auf ein Kommando der Zofen hin durften sie anfangen zu essen. Da die Hände der Stuten hinter dem Rücken zusammengebunden waren, blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich tief hinab zu beugen und den Brei mit dem Mund aufzunehmen.
Anne war überrascht, wie schnell sie sich daran gewöhnt hatte. Vielleicht, weil die anderen Stuten es so selbstverständlich vorgemacht hatten. Vielleicht aber auch, weil sie stets bohrenden Hunger hatte. Das Essen schmeckte scheußlich, aber sie starrte es, sobald es in ihren Napf gefüllt wurde, ebenso gierig an wie alle anderen auch. Dabei war es noch nicht einmal sättigend. Meist verließ sie den Speisesaal fast ebenso hungrig, wie sie ihn betreten hatte.
Als Rockenbach und der andere Alpha an diesem Tag eintraten, hatte sie ihren Napf schon halb leergegessen. Alle gingen angesichts des Besuches in Stehposition. Mit einer lässigen Handbewegung erlaubte ihnen Rockenbach weiter zu essen, während die beiden durch den Raum schlenderten. Rockenbach erklärte, dass der Boden aus einem speziellen Gummibelag bestünde. Besonders pflegeleicht sei der und sogar schonend für die Fußgelenke der Stuten. Er würde aus der Pferdehaltung stammen, wie so vieles, was sie übernommen hatten. Er sei ja selbst Reiter und kenne sich daher auch in diesem Bereich gut aus. Seine eigenen beiden Pferde… – er lachte und verbesserte sich – seine richtigen echten Pferde, zwei Wallache übrigens, stünden etwas abseits der Anlage in einem eigenen kleinen Stall mit Weide drum herum. Das dürfe man denn doch nicht zu sehr vermischen. Der wirkliche Pferdesport biete tausenderlei Anregungen und Ideen, aber ein Pferd sei doch nun einmal ein Pferd und eine Beta-Stute eine Beta-Stute.
Die beiden waren einmal um den Raum herumgeschlendert, dann blieben sie bei Anne stehen. Ihr wurde unbehaglich zumute. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie verschmiert ihr Gesicht war. Sogar an ihrer Nasenspitze klebte der Brei, und an ihrem Kinn sowieso. Scheu schielte sie von unten herauf, auf das Gesicht des Fremden. Er hatte kantige kräftige Kiefer und buschige Augenbrauen. Seine Augen standen eng beieinander. Sie schienen sie geradezu zu durchbohren
Erschrocken senkte sie ihren Kopf tief über den Napf, aber sie mochte auch nicht auf derart demütigende Weise weiter essen. Sicher hatte sie sich daran gewöhnt, aber es war noch einmal etwas anderes, dies unter den Augen dieses unbekannten Mannes zu tun. Da hörte sie neben sich das Rascheln einer Plastiktüte. Rockenbachs Hand tauchte über ihrem Napf auf. Er streute etwas hinein. Es waren einige von den getrockneten, würfelförmigen Fleischstückchen, die er hin und wieder bei sich hatte. Er nutzte sie manchmal als Belohnung für die Stuten. Anne roch sofort den kräftigen, würzigen Duft. Sie mochte die kleinen Fleischwürfel sehr.
„Ist noch ein bisschen scheu, die Kleine. Bei Fremden ziert sie sich“, erklärte er dem fremden Alpha. Dann nach einer Pause, als sie immer noch zögerte. „Aber wenn sie wirklich schon satt ist, lassen wir sie am besten hinaus bringen.“
Da beugte sich Anne bis ganz zu ihrem Napf herab und begann weiter zu essen. Sie konnte sich das überhebliche Grinsen der beiden nur zu gut vorstellen und sie wusste, dass sie knallrot geworden war, aber sie hatte doch solchen Hunger und vielleicht würde sie Rockenbachs unerwartete Beigabe wenigstens etwas sättigen.
„Sind übrigens alle nötigen Nährstoffe drin in dem Futterbrei“, erklärte
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