Bärenmädchen (German Edition)
Wenn es möglich war, das Schweigegebot zu umgehen, was konnte man sich noch herausnehmen? Wo gab es Mittel und Möglichkeiten, sich das harte Leben im Schloss zu erleichtern?
An diesem Tag mussten sie, beaufsichtigt von einem der Engelsgesichter, auf dem Rasen vor dem Schloss die Kommandos Sitz und Platz üben. Sie waren durch einen der vielen Nebeneingänge des Gebäudekomplexes dorthin gelangt. Der Eingang befand sich nun einige Schritte entfernt in ihrem Rücken. Das Engelsgesicht – es war Blau – hatte sie in seinem üblichen Sprachmischmasch angewiesen, sich wieder zu Zweiergruppen zusammenzuschließen. Jedes Paar hatte einen Stuhl dabei, auf dem sich die Mädchen je nach Kommando niederließen.
Es war durchaus ratsam für eine angehende Zofe, beide Kommandos peinlich genau zu beherrschen. Anne hatte einmal gesehen, wie ein Alpha sich einen Spaß daraus machte, eine Zofe direkt neben einen leeren Sessel zu beordern, um ihr dann Platz zu befehlen. Durch die Sitzgelegenheit in die Irre geführt, hatte sich das Mädchen unwillkürlich hingesetzt, statt sich entsprechend dem Kommando auf den Boden zu knien. Ein willkommener Anlass, sie streng zu bestrafen, und natürlich auch für derbe Scherze darüber, wie schwer es Betas doch fiel, selbst die einfachsten Dinge zu lernen.
Außerdem hatte Anne gehört, dass die Hundeliebhaber unter den Alphas sich manchmal das „Vergnügen“ machten, ihre Tiere gegen Betas antreten zu lassen. Die Kommandos „Sitz“, „Platz“, und „Bei Fuß“ wurden dann in immer schnellerer Reihenfolge gegeben, bis entweder Hund oder Zofe offensichtlich ins Hintertreffen gerieten. Verlor der Hund, wurde er meist trotzdem gelobt und gestreichelt, verlor die Zofe, wartete auf sie die Peitsche.
Aber es war trotzdem unendlich schwer, sich heute zu konzentrieren. Denn seit dem Morgen herrschte ein derart schwüles Wetter, wie es wahrscheinlich nur der moldurische Spätsommer hervorbringen konnte. Bleischwer lastete die feuchte, warme Luft auf den Bewohnern des Schlosses. Alle schienen auf das erlösende Gewitter zu warten, und sich so lange dem Nichtstun und dem Müßiggang hinzugeben. Für die neuen Zöglinge gab es natürlich keine Schonung. Sie trugen auf Geheiß der Krähe zwar nur ihre weiße Unterwäsche und nicht die wärmeren Trainingsanzüge. Aber diese Erleichterung war kaum der Rede wert angesichts der Wetterlage.
Klar, sie sollten ja auch in etwas mehr als einer Woche an einer hämisch als Willkommensfest betitelten Sado-Maso-Sexorgie als vorbildlich dressierte Lustsklavinnen für ihre Zofenmeisterin Eindruck schinden, dachte Anne so erbost, wie es die unerträgliche Schwüle nur zuließ. Sie saß gerade auf dem Holzstuhl, während Ines, die im Augenblick die Kommandogewalt innehatte, sie abwechselnd in Platz oder Sitz beorderte.
„Weißt du was, ich lasse einfach Platz aus und warte bis du wieder Sitz sagst“, erklärte sie und grinste schläfrig. Anne hatte jetzt schon zweimal auf das Kommando Platz nicht regiert. Sie wusste, dass Ines nicht hart zuschlagen, sondern allenfalls einen Hieb andeuten würde, denn sie waren in diesem Augenblick praktisch unbeaufsichtigt. Blau gab sich mal wieder vorwiegend mit Dascha ab und erklärte ihr – natürlich sehr körperbetont – die Haltung im Sitz.
Als ob dieser Streberin das nötig hätte. Der kann seine Hände gar nicht mehr von ihr lassen, dachte sie. Bedauernswerter Strumpfhosenknabe, wenn du wüsstest, mit was für einer Hexe du dich einlässt, würdest du deinen Schwanz nicht dick und breit wie eine Prinzenrolle vor dir hertragen, überlegte sie und musste selbst über ihre Formulierung kichern. Sie war sich wohl bewusst, dass dabei auch ein kleines bisschen Neid auf Dascha mitschwang. Aber nur ein kleines bisschen. Für mehr war es heute einfach zu schwül.
Anne blickte wieder auf Ines, die vor ihr stand, und sah mit trägem Staunen, wie sich deren Gesichtsausdruck änderte. Anne fühlte sich in diesem Augenblick viel zu matt, um darauf zu reagieren. Schließlich hatte sie das Engelsgesicht von ihrer Position aus gut im Blick. Und so schaute sie einfach nur.
Ines Mund hatte sich jetzt zu einem erschrockenen O geformt. Sie schien in eine regelrechte Schreckstarre verfallen. Nur ihre Hand, in der sie auch die kurze Peitsche hielt, zuckte nach vorne. Es schien, als ob sie auf etwas deuten wollte, das hinter ihnen passierte. HINTER IHNEN?
In diesem Augenblick fühlte sie sich im Nacken gepackt. Laut und erschrocken
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