Bärenmädchen (German Edition)
unterbunden. Es kann ihr aber jederzeit leicht wieder abgewöhnt werden.“
Der Räuberhauptmann griff in die Tasche seines Jacketts, holte einen Kugelschreiber hervor und schob ihn, als sei es das Selbstverständlichste der Welt, Anne quer zwischen die Lippen.
„Wenn er runterfällt, werde ich ihn dir für den Rest des Tages in den Arsch schieben, und zwar mit den anderen beiden, die ich auch noch in meiner Tasche habe“, erklärte er ihr mit einer so kalten Stimme, dass ihr die Tränen noch stärker in die Augen schossen. Dann zu seinen beiden Begleitern gewandt: „Wenn man sie so zwei, drei Tage herumlaufen ließe, würde sie ihr Mäulchen wieder hübsch ruhig halten. Aber wo waren wir gerade stehen geblieben?“
Er schaute seine beiden Kumpanen an und gab sich die Antwort dann selbst: „Ach ja bei den Urlaubsansprüchen und Bonuszahlungen für Angestellte der Organisation.“
Der Räuberhauptmann deutete auf Rockenbach und grinste, dann sagte er: „Übrigens Sergej, eigentlich kriegst du so viel Kohle, dass du dir auch einen passenden Anzug leisten könntest.“
Sie lachten. Auch Rockenbach tat es, wenn auch mit etwas säuerlicher Miene. Anne hockte unterdessen wie das niedrigste Geschöpf des ganzen Schlosses daneben. Zwischen ihren Lippen musste sie den Kugelschreiber balancieren, über ihre Wangen kullerten die Tränen und immer wieder konnte sie ein Schluchzen nicht unterdrücken. Währenddessen unterhielten sich die drei über immer belangloseres Zeug. Beziehungsweise war es der Räuberhauptmann, der redete, während die anderen förmlich an seinen Lippen hingen, auch wenn vor allem der Junge immer wieder seinen Blick über ihren nur mit einem knappen Unterhemd bedeckten Körper gleiten ließ. Mal sprachen sie moldurisch, mal deutsch. Jetzt gab der Räuberhauptmann anscheinend sogar brutale Kriegserlebnisse zum Besten.
Als sie dann plötzlich seine Hand auf ihrer Schulter spürte, zuckte sie so heftig zusammen, dass ihr beinahe der Kugelschreiber aus dem Mund geglitten wäre. Er hatte die Hand wie nebenbei und ohne das Gespräch zu unterbrechen dorthin gelegt und begann nun, mit ihren Haaren zu spielen, indem er sich einzelne Strähnen um den Finger wickelte. Dabei berührte er auch immer wieder ihre Wange. Das fühlte sich sanft und zärtlich an. Und tröstend. Irgendwie zumindest.
Natürlich war es pervers, sich von diesem Monstrum trösten zu lassen, aber es wäre doch nur ein kurzfristiger Waffenstillstand. Schon morgen wollte sie ihn so behandeln, wie er es verdient hatte. Voll eiskalter Verachtung, dachte sie, während ihre Tränen langsam versiegten. Ja, es hätte sogar nicht viel gefehlt und sie hätte ihren Kopf seiner Hand, wie ein Hund, dankbar entgegengeneigt. Vielleicht tat sie es sogar ein kleines bisschen, aber darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken.
Dennoch war sie erleichtert, als es vorbei war und sich die drei Alphas zum Aufbruch bereitmachten. In scharfem Ton gab der Räuberhauptmann dem Engelsgesicht noch einige Befehle. Seiner ängstlichen Miene war anzumerken, dass er mit einer strengen Bestrafung durch seine Herrin rechnete. Er würde nicht lange darauf warten müssen, denn die Krähe und ihre anderen beiden Engelsgesichter erwarteten die Schar jetzt auf dem Sportplatz zum Fitnesstraining.
Auch Anne graute davor, denn sie fühlte sich, nach all dem was passiert war, schrecklich schwach. Sie spürte kaum, dass der Räuberhauptmann ihr, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, den Kugelschreiber aus dem Mund nahm, und mit den anderen beiden im Schlepptau davonging. Dann aber tat er etwas, dass Anne aus ihrer Erstarrung riss und sie in den nächsten Tagen sehr beschäftigen sollte. Er kehrte noch einmal alleine zu ihr zurück. Anne, die bereits aufgestanden war und zu den anderen gehen wollte, erschrak und erwartete unwillkürlich neue Quälereien. Unaufgefordert ging sie in die Stehposition. Aber der Räuberhauptmann trat neben sie und raunte ihr ins Ohr: „Lass dich einfach fallen, Anne. Dann ist es viel leichter.“ Als sie diesmal unter ihren gesenkten Liedern einen Blick auf sein Gesicht erhaschte, meinte sie tatsächlich so etwas wie Zuneigung zu erkennen. Aber konnte das wirklich sein? Und warum hatte er sie Anne und nicht Glöckchen genannt?
Im Augenblick fühlte sie sich aber viel zu matt und ausgelaugt, um weiter darüber nachzudenken. Ihr Hintern brannte wie Feuer und schon der Weg zum Sportplatz schien alle ihre Kraftreserven aufzubrauchen, zumal ihr jetzt
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