Baeuerin sucht Frau
wahrscheinlich ein Viertel der Ernte«, klage ich Carmen am Abend mein Leid. Sie ist dieses Wochenende für einen Auftrag in München unterwegs. Ausgerechnet am Wochenende! Aber Carmen ist sehr ehrgeizig in ihrem Job. Klar, wenn sie mal selbstständig sein will. Ich kenne das ja selbst.
So können wir an diesem Wochenende nur telefonieren. Ich seufze. Sowohl wegen der räumlichen Entfernung zwischen mir und Carmen als auch wegen meines Kartoffelkäferproblems. Wobei es mehr die Entfernung zu meiner Liebsten ist, die mir im Moment das Herz schwer werden lässt. Habe ich wirklich einmal ernsthaft geglaubt Simsen und Telefonieren sei ein ausreichender Ersatz? Meine Worte, mit denen ich Nina in Sachen Ronnie tröstete, kommen mir nun total oberflächlich vor.
»Das tut mir leid, Schatz. Die ganze Arbeit und dann das.«
Carmens Mitgefühl tut mir gut.
»Und wie läuft es bei dir?«, erkundige ich mich.
»Super. Die Veranstalter sind etwas stressig, aber ich hab alles im Griff. Du, Schatz, ich kann nicht lange telefonieren. Sorry.«
Im Hintergrund höre ich ein Wirrwarr von Geräuschen. Geschäftigkeit.
»Kein Problem, wollte nur mal deine Stimme hören.«
»Schön, auch deine zu hören.«
Ich seufze. »Mach´s gut.«
»Tschau.«
Aufgelegt. Kein »Ich rufe dich später noch mal an.«
Enttäuschung macht sich in mir breit. Aber ich habe Carmen auch mitten in der Arbeit gestört. Sie hat den Kopf voll. Was erwarte ich?
Draußen im Garten empfängt Antje mich mit den Worten: »Na, das war ja mal ein kurzes Liebesgeflüster.«
Ich stecke ihr als Antwort die Zunge raus, setze mich neben sie auf unsere Bank. »Sie ist im Stress«, erkläre ich.
»Den haben solche Leute doch immer. Ich meine, wer Joggen als Erholung ansieht! Das sagt doch alles.«
»Kannst du einmal«, sage ich gedehnt, »nicht an ihr rummäkeln?«
Zwischen Antje und Carmen stimmt einfach die Chemie nicht. Das beruht auf Gegenseitigkeit und ist ein ziemliches Dilemma für mich. Ich möchte auch mal Zeit mit beiden gemeinsam verbringen. Aber solche Momente verliefen bisher ziemlich gezwungen. Ich habe keine Ahnung, wie ich das ändern kann. Ich weiß nur, ich mag beide.
In Carmens Nähe schlägt mein Herz bis zum Hals. Ich fühle mich gut und schlecht zugleich. Alles was sie sagt hat eine Bedeutung für mich. Ich vermisse sie schon, wenn sie nur zur Tür rausgeht. Ertappe mich ständig bei Tagträumen über unser nächstes Zusammensein.
Und Antje. Ich kenne niemanden, der mehr Ruhe auf mich überträgt. In ihrer Nähe kann ich mich entspannen. Wir verständigen uns durch Blicke, manchmal nur ein Augenzwinkern oder eine kleine Geste. Antje ist meine Gute-Laune-Garantie, sie ist einfach immer da und ich will mir nicht vorstellen, dass sich das jemals ändern könnte.
Ich will weder auf Carmen noch auf Antje verzichten. Genau genommen wäre eine Verschmelzung von beiden der Idealzustand.
Aber dann wäre ich ja auch mit Antje ein Paar. Ich muss automatisch grinsen. Wenn Antje meine Gedanken jetzt lesen könnte, würde sie mir in die Seite boxen.
Wir beide. Absurd.
Dabei sitzen wir gerade mal wieder auf unserer Gartenbank wie ein altes Ehepaar. Das ist es ja. Wir sind so vertraut, weil wir einfach nur Freundinnen sind. Allein der Gedanke ... – also abgesehen von dieser einen Zehntelsekunde. Damals. Das hatte ich fast vergessen. Verdrängt. Wie auch immer.
Jedenfalls war das merkwürdig. Damals. Nach unserer fünfwöchigen WG. Am letzten Tag fragte Antje mich: »Und? Wirst du es vermissen?« Die Frage was Antje mit »es« meinte, erübrigte sich. Da hatten wir bereits diese Verständigungsebene erreicht, die Worte überflüssig machte. Es war unsere tägliche Gemeinschaft, die Gespräche, in denen wir einander unsere Sorgen mitteilten oder einfach nur rumulkten. Wenn wir gemeinsam im Garten buddelten, mich plötzlich ein Wasserstrahl von hinten erwischte und ich beim Umdrehen in Antjes schalkhafte Augen sah. Wenn wir bei Kochexperimenten die Küche in ein Schlachtfeld verwandelten oder auf dem Sofa vor dem Fernseher lümmelten.
Oh ja, und wie ich das vermissen würde. Ich hatte mich an all das so gewöhnt. In dem Moment wo Antje die Frage stellte, wurde mir das schlagartig klar. Und dass sie diese Frage stellte, die Traurigkeit in ihrer Stimme, sagte mir, dass es ihr genauso ging. Unsere Augen trafen sich, wir lächelten uns beide etwas unglücklich an. Und dann kam dieser Moment in dem wir wie magisch zueinander strebten, an dessen Ende
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