Baeuerin sucht Frau
...?
Plötzlich macht es Klick in meinem Kopf. Die Döschen-Sammler, die Farbklecks-Frau, Ninas Übelkeit.
»Das glaub ich jetzt nicht!«
»Wieso?« Nun ist es Erik der verwirrt ist. »Die Tabakdosen. Darum geht es doch, oder?«
Eigentlich geht es nur um die eine, die Nina hat mitgehen lassen. Aber mir schwant Übles. Vor allem, dass Ninas Tat in Kürze mein kleinstes Problem sein wird.
»Was ist in den Dosen?«, frage ich mit leicht zitternder Stimme. Eigentlich will ich es gar nicht wissen, denn eines ist mir schon klar: Eriks Antwort wird mir nicht gefallen.
»Na, Gras eben.«
»Na, Gras eben«, äffe ich ihn nach. Meine Halsschlagader pocht. »Bist du wahnsinnig? In meinem Laden?!«
»Du hast mich doch dazu überredet!«
»Weil ich dachte es seien Tabakdosen!« Ich schlage mir vor den Kopf. »Ich bin erledigt!«
»Nun mach mal keinen Stress, Mädchen.«
Ich springe auf. »Ich heiße Sylvia!«, brülle ich Erik mit vor Ärger überkippender Stimme an. »Und für so was kommt man hinter Gittern!«
Wütend stürme ich aus der Küche und aus dem Haus, renne in den Laden, nehme den nächstbesten Pappkarton, wische mit einer Handbewegung sämtliche Tabakdosen aus dem Regal. Einige fallen neben den Karton, zerbrechen auf dem Fußboden.
Ich stiefle zurück ins Haus, knalle den Karton vor Erik auf den Tisch. »Verschwinde. Du und dein Zeug. Ich will euch hier nicht mehr sehen.«
Er steht auf, nimmt den Karton, schiebt sich an mir vorbei. In der Tür zur Küche bleibt er jedoch stehen. »Ähm Sylvia, da wäre noch was.«
»Was!?«, blaffe ich ihn an.
»Komm mal mit.«
»Wohin?«
»Komm einfach.«
Im Hof treffen wir auf Antje, die gerade ankommt. Sie sieht uns nur an und fragt: »Was ist denn los?«
Erik geht in Richtung des alten, einsturzgefährdeten Gebäudes. Was will er jetzt da? Ich folge ihm in ein paar Metern Abstand. Hinter mir höre ich Antjes Schritte.
Erik schiebt das mächtige Tor der Maschinenhalle einen halben Meter auf, geht hinein. Zögernd folge ich ihm, blinzele, etwas geblendet durch das Morgenlicht, das durch die hohen, zumeist glaslosen Fenster, in die Halle fällt. Was ich im Zwielicht erkenne, verschlägt mir den Atem. Dutzende Reihen von Grünpflanzen in selbst zusammengezimmerten Holzkübeln. Ein ganzes Feld! Ihre sternförmigen Blätter glänzen vom Tau. Direkt über mir hängen von einem Stahlträger getrocknete Bündel herab. Und soviel erkenne ich auf Anhieb: es ist kein Tabak! Nein, in meiner Maschinenhalle, auf meinem Land, stehe ich mitten in einer Hanfplantage!
Ich strecke die Hand aus, stütze mich am nächsten Pfeiler ab, lasse mich erst gegen ihn und dann an ihm hinab sinken. Fassungslos kauere ich auf dem Boden. Erik zuckt mit den Schultern, sieht zu mir hinab. »Na ja, es ist immerhin ökologischer Hanf.«
In meinem Kopf beginnt eine Karussellfahrt. Gut, dass ich schon sitze, sonst würde ich taumelnd zu Boden gehen.
»Scheiße Erik, sie kippt weg«, höre ich Antje noch hinter einer Wand aus Watte sagen.
»Sie isst in letzter Zeit auch nur dieses Körnerfutter. Ist nicht gut für das Mädchen«, höre ich Erik schuldbewusst brummen. »Und dann diese neue Marotte – Joggen – das ist nicht gesund.«
»Das ist absolut gesund«, melde ich mich zurück. Kläglich klinge ich. Wie lange war ich weg? Ein paar Sekunden? »Was nicht gesund für mich ist, ist zu erfahren, dass ich eine Drogenbäuerin bin.« So schwach wie meine Stimme ist, so wild pocht mein Herz in meiner Brust.
»Sylvia, beruhige dich.« Antje legt ihre Hand auf meine Schulter. »Und hör zu, was Erik dir erklären will.« Sie ist ganz Pädagogin. Rede über ein Problem, dann löst es sich auf. In diesem Fall dürfte diese Strategie versagen!
Ich rappele mich hoch. »Erklären? Scheiß drauf!«, zische ich. Meine Angst, die sich in Wut entlädt, ist wieder da. »Ich habe null Bock auf irgendwelche Erklärungen. Ich will nur eines. Dass Erik seinen Kram packt und samt seinem Zeug von meinem Hof verschwindet.«
»Findest du das nicht ein wenig hart?«, versucht Antje zu vermitteln.
»Hart? Na klar ist das hart! Er ist ein Drogendealer. Mit so was will ich nichts zu tun haben.«
»Onkel Erik ist doch kein Dealer, nur weil er ein bisschen Gras verkauft.«
»Na da frag mal unseren lieben Ordnungshüter Martin. Der wird dir was ganz anderes sagen.«
»Glaub ich nicht«, brummt Erik.
»Was?«
»Er sagt, er glaubt es nicht«, wiederholt Antje.
Natürlich habe ich verstanden was Erik sagte.
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