Baeuerin sucht Frau
»Das ist völlig ausgeschlossen! So was habe ich nicht im Haus.«
»Nina hat eindeutig eine Vergiftung«, wiederholt er. Die Stimme des Arztes klingt selbst durchs Telefon deutlich distanziert.
»Das muss ein Irrtum sein!«
»Wir haben die Blutprobe zweimal getestet. Kein Irrtum.«
»Aber wo soll Nina mit E605 in Kontakt gekommen sein?«
Kurze Stille auf der anderen Seite. Dann: »Sagten Sie nicht, Sie haben Kartoffelkäfer gesammelt?«
»Ja, ich bin Ökolandwirtin und der Erfolg bei der Spritzung der Kartoffelpflanzen war leider mäßig.« Das hatte ich ihm doch gestern erzählt! Was fragte er so komisch?
Sein nächster Satz ist wie ein Faustschlag in den Magen: »Sie spritzen mit E605, einer hochtoxischen Substanz, deren Anwendung seit 2002 verboten ist?« Das ist eine Feststellung. Den deutlich vorwurfsvollen Ton des Arztes kann ich nachvollziehen, denn er geht ja davon aus, dass seine Feststellung zutrifft.
Das ist doch absurd! »Aber nein! Ich sagte doch, ich bin Ökolandwirtin.«
Meine Worte prallen an ihm ab, er spricht einfach weiter. »Damit nicht genug. Sie gehen anschließend in das Feld. Und nehmen auch noch Kinder mit! Das ist nicht nur leichtsinnig, das ist grob fahrlässig!«
»Aber ich ...«
»Bringen Sie Ihre Nichte sofort her! Ich werde eine Behandlung mit Atropin einleiten. Nina wird bis zum Abklingen aller Symptome im Krankenhaus bleiben. Außerdem müssen alle an der Sammelaktion Beteiligten sofort zur Untersuchung ins Krankenhaus kommen. Sofort! Sorgen Sie dafür, wenn Ihre Probleme nicht noch größer werden sollen als sie es bereits sind.«
»Was meinen Sie damit?«, frage ich schwächlich.
»Frau Berger, ich fürchte, ich muss die Polizei informieren.«
Am anderen Ende wird aufgelegt. Ich stehe da wie der sprichwörtlich begossene Pudel. Ein Eimer mit Anschuldigungen hat sich über mich ergossen. Einfach so. Schwapp. Ich stehe unter Schock.
Es ist völlig ausgeschlossen was der Arzt da am Telefon gerade gesagt hat. Und andererseits die einzige Erklärung. Aber diese Erklärung ist so fern meiner Vorstellungskraft, dass mein Hirn sich weigert, sie überhaupt als Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Es ist unmöglich! Punkt.
Plötzlich bricht mir der Schweiß aus. Was ist, wenn die Magen-Darmgrippe in Antjes Klasse gar keine Grippe ist? Was, wenn die Kinder ebenso vergiftet sind wie Nina?!
Meine Hände zittern als ich Antjes Nummer wähle. Sie ist im Unterricht, sagt mir ihre Kollegin. Ich glaube meine Stimme zittert ebenso wie meine Finger während ich sie bitte, Antje unbedingt ans Telefon zu holen. Jedenfalls haucht die Kollegin beim Klang meiner Stimme nur ein erschrockenes »Ja, warten Sie« ins Telefon.
Nach dem Telefonat mit Antje, die aus allen Wolken fällt und anschließend in eine Mischung aus Unglauben und Panik, gehe ich hoch zu Nina.
Sie schläft, also wecke ich sie behutsam. »Wir müssen noch mal ins Krankenhaus, Nina«, sage ich ihr. Sie blinzelt verschlafen. »Pack dir Zahnbürste und Schlafanzug ein.«
»Was? Wieso?«
Ich setze mich auf die Bettkante. »Der Arzt sagt, es ist eine Vergiftung. Sie wollen dich zur Sicherheit beobachten.« Mehr sage ich erst mal nicht.
Während Nina sich anzieht rufe ich Erik an. »Otto und ich kümmern uns drum«, brummt er, nachdem ich ihm eine gekürzte Fassung meines Gespräches mit dem Arzt wiedergegeben habe. Und dessen Aufforderung, alle Leute zu ihm zu schaffen, die auch auf meinen Feldern Käfer mitgesammelt haben.
Dann fahre ich mit Nina ins Krankenhaus. Der Arzt nimmt mir Ninas Tasche ab und das Mädchen sofort mit ins Behandlungszimmer. »Ich sorge für die Aufnahme auf die Station. Sie werden erwartet.«
Er deutet auf einen Mann, der mir im Wartezimmer bisher nicht aufgefallen war. Der Mann erhebt sich jetzt. »Oberkommissar Weinhaus«, stellt er sich vor.
Wir führen ein leises Gespräch miteinander, das heißt er stellt Fragen, ich antworte. Die letzte Frage lautet: »Erlauben Sie mir und meinen Kollegen Ihren Hof zu durchsuchen oder muss ich einen richterlichen Beschluss besorgen?« Meine Antworten haben ihn offensichtlich nicht überzeugt. Na ja, irgendwie verständlich. Immerhin ist da Ninas Blutprobe.
»Sie können durchsuchen, was sie wollen. Ich bin ja selbst an der Aufklärung der Sache interessiert. Und ich habe nichts zu verbergen.«
»Sehr schön.«
Schön würde ich das Ganze nun nicht nennen. Die Vorstellung, dass fremde Leute mir Haus und Hof durchwühlen, ist eher unangenehm. Ich
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