Bahama-Krise
die
richtige Saite angerührt zu haben.
»Sie haben vorhin von Mord gesprochen«, nahm ich den Faden
wieder auf. »Es gab einen Mord hier, und zwar da
draußen.« Ich deutete auf das Fensterloch. »Leroy Ainslee hat einen
Mann von hinten erschossen, ich war Augenzeuge.«
Er trat zum Fenster und sah hinaus. »Ich sehe keine Leiche.«
»Dann lassen Sie Ihre Männer nach einem frisch zugeschaufelten
Grab suchen.«
Ich machte auf dem Absatz kehrt und verließ den verpesteten
Raum. Draußen schien die Sonne. Der Hubschrauber mit Sherry-Lou war
gelandet. Ich sah, wie sie in das Holzhaus lief, in dem wenige Minuten
vorher der Arzt verschwunden war. Ich verspürte mit einemmal eine
seltsame Leere. Alles war jetzt egal. Nur noch eine Art von milder
Dankbarkeit war da, weil Debbie noch lebte. Während ich weiter über
alles nachsann, wurde mir klar, daß meine Wut nur zugeschüttet war, so
wie man Sand über ein Feuer schaufelt, um es zu ersticken. Unter dieser
Schicht aber glomm es weiter. Und ich spürte, daß diese Glut bald
wieder zur Fackel werden würde.
Ich ging über den Platz, durch die flimmernde Schwüle des
Nachmittags. Ein paar Minuten verbrachte ich im Schatten eines
Hubschraubers. Dort fand mich Chuck Perkins. Er war kreidebleich.
»Sie haben Earl und Tukey geschafft, Mr. Mangan«, sagte er.
»Die beiden sind sehr tot.«
»Die haben es verdient«, sagte ich.
»Mein Vater sucht Sie.« Er wies mit dem Daumen hinter sich.
»Er ist da drüben.«
Ich ging um den Hubschrauber herum. Dade Perkins war nicht
weit. Er stand vor Sherry-Lou und redete auf sie ein. Ich kam hinzu,
wie sie ihm gerade antwortete. »… ziemlich übel aus«, hörte ich sie
sagen.
Er sah mich kommen und legte ihr die Hand auf den Arm, um ihr
zu signalisieren, daß ich zuhörte. »Sherry-Lou hat dir etwas zu sagen«,
meinte er ernst. »Es tut mir leid, Tom.«
»Ja, Sherry-Lou?« sagte ich.
»War Ihnen bekannt, daß Ihre Frau schwanger war?«
»Ja.« Ich wußte, was jetzt kam.
»Sie hat das Baby verloren.«
Ich starrte in den Himmel, wo die Sonne hing wie ein Spiegelei.
»Ist sie vergewaltigt worden?«
»Nicht nur das.«
Ich schloß die Augen. Das Gesicht des Mannes, der sich
Robinson nannte, erstand vor mir. Ich wußte, daß ich keine Ruhe geben
würde, bis ich ihn gefunden hatte.
Sherry-Lou ergriff meine Hand.
»Ihre Frau wird wieder gesund werden«, sagte sie.
»Der Körper, mag sein.«
»Auch die Seele, Tom. Sie wird viel Liebe brauchen.«
»Sie wird viel Liebe bekommen«, flüsterte ich. »Ich danke
Ihnen, Sherry-Lou.«
Sie brachten Debbie auf einer Krankenliege aus dem Holzhaus.
Der Arzt ging neben ihr. Auf der anderen Seite schritt eine
Krankenschwester, die ein Infusionsgefäß hochhielt. Der Körper war
zugedeckt. Das Gesicht war bleich, wie eine Maske.
Als ich in den Rettungshubschrauber klettern wollte, in den
sie verladen worden war, schüttelte der Arzt den Kopf.
»Das hat keinen Sinn, Mr. Mangan. Sie wird jetzt schlafen,
ganz bestimmt. Nach vierundzwanzig Stunden werden wir sie zum erstenmal
wecken. Ich möchte, daß Sie dann dabei sind. Aber nicht jetzt.«
Wenig später hob der Krankenhubschrauber ab. Ich sah ihm nach,
bis Rotoren und Rumpf zu einem farblosen Punkt in der Dämmerung
geworden waren. Dann wandte ich mich zu Polizeioffizier Booth, der mit
Dade Perkins sprach.
»Ich habe eine Erklärung abzugeben, Booth«, sagte ich.
Er sah auf.
»Bitte.«
»Wenn Sie auf eine Mordanklage scharf sind – Sie
können eine haben. Ich verspreche Ihnen hiermit unter Zeugen, daß ich
Leroy Ainslee umbringe, wenn ich ihn vor Ihnen erwische.«
Er hob das Kinn und musterte mich. »Wir werden alles tun, um
dieses Mannes habhaft zu werden«, sagte er dann. Dade Perkins trat zur
Seite und spuckte aus. Seine Art anzudeuten, was er von den
Erfolgsaussichten der polizeilichen Fahndung hielt.
Billy trat zu uns. Er hatte wieder Farbe im Gesicht. »Kommen
Sie, Mr. Perkins, ich möchte mit Ihnen sprechen. Komm du auch, Tom.«
»Was gibt's zu besprechen, Mr. Cunningham?« fragte Perkins.
Billy warf einen Seitenblick auf Officer Booth, dann machte er
eine Kopfbewegung. »Laß uns dort rübergehen.« Er führte uns außer
Hörweite des Polizeioffiziers.
»Ich weiß, daß unsere Leute Druck auf Sie ausgeübt haben,
Perkins«, sagte er.
»Und das ohne Erfolg«, gab Perkins zurück.
»Ich wollte Ihnen nur sagen, daß das jetzt aufhört.«
Dade Perkins grinste. Dann kniff er ein Auge zusammen und trat
einen Schritt auf
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