Bahama-Krise
Verteidiger
war Peter Heller, der Staatsanwalt hieß Riker. Wie sich bald zeigte,
waren die beiden in wichtigen Fragen einer Meinung. Man war darauf
bedacht, in einer möglichst kühlen Atmosphäre die Fakten zu ergründen,
die zum Tod von Earl und Tukey Ainslee geführt hatten.
Es gab eine kritische Phase, als ich in den Zeugenstand
gerufen wurde und zur Sache aussagen mußte. Staatsanwalt Riker
betrachtete mich eine ganze Weile, bevor er seine erste Frage stellte.
»Wie Sie in der Voruntersuchung bekundet haben, Mr. Mangan,
haben Sie in jener Nacht gewisse Vorbereitungen getroffen. Recht
gezielte Vorbereitungen, könnte man sagen. Zum Beispiel haben Sie eine
Wasserschüssel im Gewicht von über zehn Kilo so aufgestellt, daß sie
aus einer Höhe von vier Metern herunterfallen und Earl Ainslee töten
würde.«
»Nein«, sagte ich. »Ich wußte nicht, daß Earl Ainslee
hereinkommen würde. Der Mann, den ich töten wollte, war Leroy Ainslee.«
»Ich verstehe«, sagte er nachdenklich. »Hatten Sie etwas gegen
Leroy Ainslee?«
Ich lächelte. »Außer der Tatsache, daß er mich und meine Frau
mit dem Tode bedrohte und dieser Drohung mit der Waffe Nachdruck
verlieh, nein.« Gemurmel erhob sich im Gerichtssaal. »Ich habe diesen
Mann nie vorher gesehen.«
»Nun gut«, sagte Staatsanwalt Riker. »Kehren wir einmal zu dem
Mann zurück, den Sie wirklich getötet haben, zu Earl Ainslee. Sie haben
in der Voruntersuchung kundgetan, daß er Sie mit dem Gewehr bedrohte.
Stimmt das?«
»Ja. Es war eine doppelläufige Flinte.«
»Ich verstehe. Woher wußten Sie, daß diese Flinte überhaupt
geladen war?«
»Robinson hatte es mir gesagt.«
»Der geheimnisvolle Mr. Robinson, den Sie in der
Voruntersuchung bereits erwähnten?«
»Ja. Ich fand die Drohung bestätigt, als Earl Ainslee einen
Schuß aus der Flinte abgab.«
»Hatte er auf Sie gezielt?«
»Ja. Aber der Schuß ging in die Matratze, weil ich mich im
gleichen Augenblick zu Boden warf.«
»Achten Sie jetzt genau auf den Wortlaut der Frage, die ich
Ihnen stellen werde, Mr. Mangan. Drückte Earl Ainslee unfreiwillig ab, weil er von der Schüssel am Kopf getroffen wurde? Oder
drückte er ab, bevor ihn die Schüssel traf?«
»Das weiß ich nicht«, sagte ich. »Das konnte ich nicht sehen,
ich war damit beschäftigt, aus der Schußlinie zu kommen.«
Die Geschworenen steckten die Köpfe zusammen und murmelten.
»Jedenfalls betätigten Sie die Schnur, die Sie mit der
Schüssel verbunden hatten.«
»So ist es.«
»Warum taten Sie das?«
Es war jetzt sehr still im Gerichtssaal geworden.
»Weil meine Frau draußen zu schreien begann«, sagte ich. »Earl
lieferte mir auch die Erklärung für den Schrei. Er sagte, Leroy sei
jetzt bei der Morgengymnastik, danach käme er
dran.«
»Mit ›er‹ meinte Earl sich selbst?«
»Ja.«
Riker wartete, bis die Aufregung im Saal sich wieder gelegt
hatte. »Mr. Mangan«, fragte er, »hätten Sie auch an der Schnur gezogen,
wenn Ihre Frau nicht geschrien hätte?«
Schweigen im Saal.
»Das weiß ich nicht. Ich kann es wirklich nicht sagen.«
Mein Verteidiger hob die Hand. »Einspruch, Euer Ehren. Der
Zeuge kann sich nur zu Dingen äußern, die tatsächlich vorgefallen sind.
Hier handelt es sich aber um eine Frage, die sich auf einen Fall
bezieht, der gar nicht eingetreten ist.«
»Einspruch stattgegeben. Ich ziehe die Frage zurück.«
Die weiteren Fragen, die beim Prozeß gestellt wurden, waren
nicht mehr so kitzlig. Sie bezogen sich auf den Tod von Tukey und auf
die Verfolgungsjagd durch die Wildnis des Big Thicket Country. Heller
steuerte mich durch alle Untiefen hindurch, an denen das
Geschworenengericht mich auflaufen lassen wollte. Als meine Befragung
beendet war, mußte ich den Saal verlassen.
Debbie hat mir später berichtet, daß sie bei Gericht mit
großer Rücksichtnahme behandelt wurde. Ihre Vernehmung war kurz. Was
die Schuld von Leroy anging, so blieb kein Zweifel, daß er Debbie
vergewaltigt hatte. Er war schuld am Tode unseres ungeborenen Kindes.
Was den Tod von Earl anging, so kam das Schwurgericht in
Austin zu dem Spruch, daß ich weder des Mordes noch der fahrlässigen
Tötung schuldig war. Es schwang ein gelindes Erstaunen mit, daß ein
Engländer sich ebenso seiner Haut wehren konnte wie ein Amerikaner.
Meine Abstammung auf meine amerikanischen Vorfahren zurückzuführen,
hatte ich schon in der Voruntersuchung aufgegeben. Wer auf den Bahamas
wohnte, so hatten mir die texanischen Beamten erklärt, sei
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